Willys Vermächtnis ist erfüllt

Erstes Berliner Aids-Hospiz in Karlshorster Villa eingerichtet / Das Angebot von „Haus Willy“ richtet sich vor allem an Sozialhilfeempfänger / Die letzten Wochen möglichst menschlich gestalten  ■ Von Gesa Schulz

Am Tor zur Straße fehlt die Klingelanlage. Auf der Terrasse hinter dem Haus liegt ein kleiner Sandhaufen, der beim Einbau des Swimmingpools übriggeblieben ist. Neben dem Swimmingpool steht eine Pumpe, die noch installiert werden muß. Alles deutet auf einen fleißigen Eigenheimbauer hin, der sich noch um die letzten Details kümmern muß.

Doch die Karlshorster Villa „Haus Willy“ ist kein luxuriöses Privatdomizil für Besserverdienende. In dem dreistöckigen Gebäude können bis zu 17 Aids-Patienten ihre letzten Wochen und Monate verbringen. „Wer zu uns kommt, lebt nur noch kurze Zeit. Diese Monate wollen wir den Patienten so menschlich wie möglich gestalten.“

„Im Sommer kann man im Garten sitzen, auf der Terasse liegen oder baden“, erzählt Marianne Reusch-Blatt. Sie hat innerhalb von sechs Monaten das erste Berliner Aids-Hospiz aus dem Boden gestampft. Bankkredite liefern den finanziellen Rahmen. Senatszuschüsse hat Reusch-Blatt erst gar nicht beantragt, weil ihr das zu umständlich war und sie den Terminplan nicht gefährden wollte.

„Ich habe das Willy versprochen, bevor er gestorben ist“, antwortet die 47jährige auf die Frage, woher sie die Motivation für diesen Kraftakt nimmt. Willy, der Namensgeber des Hospizes, starb im Januar an Aids; Marianne Reusch- Blatt pflegte ihn bis zu seinem Tod. Ein Bild im Hausflur erinnert an den 35jährigen, der an der Entstehung des Hospizes maßgeblich beteiligt war.

Ein halbes Jahr lang arbeitete Reusch-Blatt von früh bis spät, um das „Haus Willy“ so schnell wie möglich einweihen zu können. Seit Mitte Juni wohnen die ersten Patienten in der Karlshorster Villa. „Je nachdem, wieviel Pflege nötig ist, entscheiden wir, auf welcher Etage jemand einziehen kann“, so Reusch-Blatt. Im Souterrain sind acht Betten für die sogenannte Finalpflege vorgesehen. In der Mansarde befinden sich drei Zimmer für die Patienten, die sich noch selbst verpflegen können. Im ersten und zweiten Stockwerk ist eine Kombination aus Pflege und Selbstversorgung geplant. Jede Etage hat eine eigene Küche, so daß die Bewohner selber kochen können. „Eigentlich hatten wir gedacht, daß die Patienten ihre Zimmer und auch die Küche selber einrichten. Aber bisher haben sie kaum Möbel mitgebracht“, entschuldigt Reusch-Blatt den etwas kargen Zustand der Küche im ersten Stock, wo bereits zwei Patienten wohnen.

„Zu uns kommen die Menschen, die gar nichts haben, vor allem Sozialhilfeempfänger“, so Reusch-Blatt. Auch Marco und Dietmar, die beiden ersten Patienten im „Haus Willy“ haben nicht viel mitgebracht. Dietmar hat einen Kleiderständer, seine Anlage und einige Kassetten von zu Hause mitgenommen. Marco ist in das Zimmer eingezogen, das mit Willys Möbeln eingerichtet ist. Beide haben ihre Wohnung aufgegeben und ein Zimmer in der Karlshorster Villa gemietet, das ihnen das Sozialamt bezahlt. Die Betreuung und Pflege wird von der Krankenkasse übernommen.

„Unser Konzept sieht vor, daß die Patienten möglichst viel außerhalb des Hauses unternehmen sollen, solange das noch möglich ist“, so Reusch-Blatt. Marco und Dietmar werden regelmäßig in einer Tagesklinik behandelt. Einmal in der Woche fährt Marco zu den Treffen des Aids-Projektes „Pluspunkt“. Aber auch die Patienten, die das Haus nicht mehr verlassen können, sollen möglichst umfangreich betreut werden.

Marianne Reusch-Blatt achtet bei der Einstellung des Pflegepersonals nicht nur auf die fachliche Qualifikation, sondern auch auf Engagement und einen liebevollen Umgang mit den Patienten. „Die Arbeit ist natürlich sehr hart. Ich glaube, wir werden eine große Fluktuation beim Personal haben. Aber darüber kann ich frühestens in einem Jahr etwas sagen. Im Augenblick steht noch die Aufbruchstimmung im Vordergrund“, schätzt Reusch-Blatt die Situation ein.