■ USA erkennen ihren ehemaligen Kriegsgegner Vietnam an: Cola und Dollar im Gepäck
Als hätten sie damit die Anerkennung der Kriegsniederlage hinauszögern können, hatten die USA den Vietnamesen zwanzig Jahre lang keine Cola und keinen Dollar gönnen wollen, solange nicht die Gebeine der letzten amerikanischen Kriegsgefangenen und Vermißten geborgen und mit militärischen Ehren in die heimatliche Erde versenkt worden waren. Diese Ära ist nun vorbei. Nicht etwa, weil man in den USA eine Auseinandersetzung mit dem Vietnamkrieg abgeschlossen hätte, sondern weil die Business-Lobby unauffällig, aber ununterbrochen dem Weißen Haus ihren Kanon vorgetragen hat: „Wenn ihr uns nicht mit einer gut ausgestatteten Botschaft helft, dann machen Japan, Taiwan und Frankreich allein das Geschäft.“
Das Argument zog. Handelspolitik ist das einzige Instrument der Außenpolitik, für das sich Bill Clinton kontinuierlich interessiert. Wäre er nicht bis zuletzt durch seine öffentliche Reputation als Vietnamkriegsgegner und „Drückeberger“ gebrandmarkt gewesen, hätte er gleich nach Amtsantritt durchsetzen können, was er nun scheibchenweise – und rechtzeitig vor der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfes – erreicht hat: erst bilaterale Gespräche und offizielles Lob für die Kooperationsbereitschaft der Regierung in Hanoi bei den Suchaktionen nach 1.600 vermißten US-Soldaten (von den 300.000 vermißten Vietnamesen, von denen die Mehrheit vermutlich im Bombenregen der US-Kampfflieger umkam, war bei diesen Gesprächen übrigens nie die Rede), dann die Aufhebung des Handelsembargos und jetzt die Aufnahme diplomatischer Beziehungen.
Der Vorgang entbehrt nicht einer gewissen Absurdität. Denn es ist nicht allein Hanois Ruf nach amerikanischen Investoren und Washingtons Bedarf an weiteren Investitionsmärkten und Billiglohnländern, die demnächst zum Austausch von Botschaftern führen werden. Vietnam sucht nach politischen und militärischen Partnern – aus Angst vor China und seiner massiven Aufrüstungspolitik. Ende des Monats wird es der Asean beitreten, und aus den USA will man nicht nur das Botschaftspersonal begrüßen, sondern möglicherweise auch der US-Navy einen ihrer alten Stützpunkte zurückgeben.
Angesichts des derzeit ohnehin miserablen Verhältnisses zwischen den USA und China neigt man in Peking offenbar dazu, die vietnamesisch-amerikanische Aussöhnung als Teil einer US-Strategie des containment, der Eindämmung, zu sehen, wie sie unter amerikanischer Führung einst gegen die Sowjetunion angewandt wurde. Die Verhaftung des Menschenrechtlers Harry Wu, die Besetzung einer Inselgruppe vor den Philippinen, die Aufstockung des Militärs – all das sind höchst widerwärtige Warnungen an die asiatischen Nachbarn und an die USA, im neuen Zeitalter der Regionalmächte den größten Hund im Hof nicht zu provozieren. Vietnam hofft nun, ausgerechnet im alten Kriegsgegner USA einen Beschützer gefunden zu haben. Andrea Böhm, Washington
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