Craxi mit falschem Bart nach Italien?

■ Internationaler Haftbefehl gegen Ex-Ministerpräsident

Rom (taz) – Die Ermittler im italienischen Schmiergeldsumpf staunten nicht schlecht: Vor gut zwei Jahren hatten sie verfügt, daß der Reisepaß des ehemaligen Ministerpräsidenten Bettino Craxi eingezogen werde. Es bestand dringende Fluchtgefahr: Der Mann hatte mehr als drei Dutzend Ermittlungsverfahren am Hals.

Doch der ehemalige Obersozialist – 1993 hatte ihn seine Partei abgewickelt – meldete sich einige Wochen später aus seinem Feriendomizil Hammamet in Tunesien und machte allen eine lange Nase. Dort sitzt er noch heute – doch vergangene Woche ließ er durch seinen Pressesprecher das Reisedokument überreichen, als sei nichts gewesen.

Die angebliche Geste des guten Willens – oder auch erneut erhöhter Arroganz – erweist sich als Bumerang: Gestern haben die Ermittler in Mailand einen internationalen Haftbefehl gegen Craxi ausgestellt – wegen Korruption und Verstoß gegen das Parteienfinanzierungsgesetz.

Zunächst hatten sie den Paß durchgeblättert – und wieder gestaunt: Die Visastempel, die für Reisen ins nichteuropäische Ausland vonnöten sind, waren zum großen Teil verändert worden. Beim Nachrechnen stellte sich heraus, daß man wohl versucht hatte, die Ausreisedaten Craxis aus Italien „zurechtzurücken“. Möglicherweise wurden auch Daten manipuliert, um delikate Reisen des ehemals mächtigsten Mannes Italiens zu verschleiern. Zu regeln gäbe es rund um den Globus eine ganze Menge. Auf Schweizer Konten etwa vermuten Ermittler umgerechnet zwischen 40 und 60 Millionen Mark, die er beiseite geschafft haben soll.

Der Haftbefehl gegen Craxi bringt nun einen anderen Ermittlungsstrang durcheinander. Craxi hatte sich nämlich zu einer Vernehmung durch den Untersuchungsrichter Fabio Salamone aus Brescia bereiterklärt und sich für diesen Fall auch schon ein hübsches Szenarium ausgedacht: Entweder wird die Vernehmung auf seiner Terrasse in Hammamet durchgeführt – so daß Salamone entweder wie ein Feriengast oder wie ein Bittsteller vorgeführt würde – oder aber im Krankenhaus, in das Craxi immer verschwindet, wenn ihm aus Italien Vorladungen zugestellt würden. In diesem Falle könnten sich die stets mitleidigen Italiener, so die Rechnung, von ihrem Herzen rühren lassen und dem armen Kranken seine Schandtaten verzeihen.

Dritte von Craxi in Aussicht gestellte Möglichkeit: ein Gespräch in der italienischen Botschaft in Tunis; diese Lösung hatte auch Ermittler Salamone angepeilt. Doch das geht nun wohl nicht mehr: Denn aufgrund des Haftbefehls müßte Craxi beim Betreten der Botschaft, die ja italienisches Hoheitsgebiet ist, sofort festgenommen werden. Werner Raith