■ Mit Kommerz im Internet auf du und du
: Kleine Spinnen im Netz

Berlin (taz) – Vor nichts haben anarchische Hacker und mit Pferdeschwänzen bezopfte Internet-Veteranen mehr Angst als vor dem neuen Publikum im Computernetz: den smarten Geschäftsleuten in gestylten Büros, die die 30 bis 50 Millionen NutzerInnen zu KonsumentInnen verwandeln wollen. Wie die Spinnen nutzen die großen Warenhäuser und Elektronikkonzerne das Internet für ihre fetten Profite, so die Befürchtungen. Die netztypische antikapitalistische Kultur des Teilens droht verlorenzugehen.

In der Tat sind schon knapp 100.000 Geschäftsadressen im „Netz der Netze“ registriert, darunter auch viele weltweit operierende Untenehmen. Doch den meisten Nutzen haben bisher kleine Firmen oder Einmenschbetriebe. Ihre Verkäufe können dramatisch steigen, wenn sie in das weltweite Netz einsteigen. „Unsere Exporte stiegen von einem Anteil von 15 Prozent am Umsatz auf 95 Prozent in den zwei Jahren, die wir im Internet sind“, sagt ein Firmeninhaber in einer Marktstudie der ActivMedia Incorporated aus Peterborough im US-Bundesstaat New Hampshire. Die Zahl der Anbieter in den verschiedenen kommerziellen Regionen oder „Directories“ des Internet steigt denn auch dramatisch, zwischen September 1994 und Mai 1995 um 34 Prozent – pro Monat.

Kleine Klitschen könnten sich niemals eine Werbekampagne leisten, die Millionen von Menschen erreicht – über das Internet erreichen sie völlig neue Kunden für ein paar tausend Mark Hard- und Softwarekosten. So hat die von Haus aus nicht so arme Barclays Bank eine Kreditkartenwerbung im Internet plaziert. Für lächerliche Kosten von 200 Pfund für den Spot erhielt sie 16.000 Anfragen, ein hervorragendes Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Vor allem seit mit dem World Wide Web (WWW) und den dazugehörigen Suchprogrammen die Navigation im Internet wesentlich leichter ist und auch Bilder auf den heimischen Rechner geladen werden können, boomt das Geschäft. Immerhin paddeln derzeit schon vier bis acht Milionen UserInnen mit den WWW-Programmen in der Informationsflut umher.

Der Handel mit Software, Technikbüchern und Blumen läuft am besten auf dem digitalen Markt. Diese Produkte lassen sich mit einem kurzen Text oder einem Bild beschreiben, direkt versenden oder über einen lokalen Händler wie mit dem Fleurop-Dienst vertreiben. Für den Blumenboom ist wohl eine typische Macke der ComputerarbeiterInnen verantwortlich: Sie sitzen immer länger vor dem Schirm, als sie eigentlich wollten. Da wird oft ein Sträußchen fällig für die Süßen, die man wieder einmal versetzt hat. rem