Jüdische Gemeinde

■ Konflikt: Dürfen Neuzuwanderer aus Rußland den Vorstand mitwählen?

Hannover (taz) – Über die Rechtmäßigkeit der Vorstandswahlen in der Jüdischen Gemeinde Hannover hatte gestern das Amtsgericht zu befinden. In der Verhandlung, in dem es um das Wahlrecht von 350 neu aus Rußland zugewanderten Juden geht, wurde deutlich, das die Vorstandswahlen vor zwei Wochen zu Unrecht per einstweiliger Verfügung unterbrochen wurden. Die zwei Verfügungen hätten nicht erlassen werden dürfen, weil in dem erbittert ausgetragenem Rechtsstreit nicht das Amts-, sondern das Verwaltungsgericht zuständig sei. Die Amtsrichterin erklärte, daß sie die Verfügungen am 20. Juli mit dem Urteil aufheben werde.

Der Konflikt um das Wahlrecht der Neuzuwanderer wird trotz Urteil weitergehen. Der jetzige Gemeindevorsitzende Leo Kohn wirft dem Vorsitzenden des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, Michael Fürst, Wahlmanipulationen vor. Fürst wiederum unterstellt Kirch Vorurteile gegenüber den aus Rußland zugewanderten Juden. Die einstweiligen Verfügungen hatte Kohn beantragt, weil der Landesverband einen Monat vor der Wahl 350 Juden aus Rußland als Mitglieder der hannoverschen Gemeinde anerkannt hatte. „Nur ein Rabbiner könne feststellen, ob jemand Jude sei“, begründete Kohn sein Vorgehen. Michael Fürst hingegen wies gestern daraufhin, daß das Judentum kein Problem der Staatangehörigkeit oder der religiösen Kenntnisse sei. Jude sei, wer eine jüdische Mutter habe und diese Abstammung habe man bei den Zuwanderern, die inzwischen drei Viertel der hannoverschen Gemeindemitgleider stellen, ordnungsgemäß überprüft. Kohn hingegen argumentiert, daß die Neuzuwanderer erst langsam an das Gemeindeleben herangeführt werden müßten, weil sie alle in einem atheistischen Staat aufgewachsen seien. Jürgen Voges