Metertiefe Matsche

■ Fürs Wohnen im Grünen braucht man in Seehausen starke Nerven und festes Schuhwerk benötigt

Bauwilligen wird das neue Wohngebiet an der Seehauser Landstraße bevorzugt bei Sonnenschein präsentiert. Kein Wunder: „Wenn die Leute hier nach starken Regenfällen zum Bus eilen, wechseln sie an der Haltestelle ihre verdreckten Galoschen gegen sauberes Schuhwerk“, so die Beobachtung eines Alteingesessenen. Friedrich Dahnken wohnt gleich neben dem Bauplatz „An der Burgstelle“ und zeigt auf einen Holzkasten, der neben seiner Hecke steht. Hier finden die AbonnentInnen unter seiner neuen Nachbarschaft ihre Morgenlektüre, denn der Zeitungsjunge betritt das Neubauviertel nicht. Denn zwischeen den schmucken Häuschen verläuft eine Sandpiste, die den Namen Straße kaum verdient hat.

Seit etwa drei Jahren verwirklicht die RBO-Bauunternehmung den Bebauungs-Plan Nr. 1416. Die ersten Familien bezogen die Siedlung am Rande des Niedervielandes im August 1993. Den zunächst sechs Parteien folgen jetzt weitere NeubürgerInnen. Und weil die rege Bautätigkeit bis ins Jahr 1997 andauert, insgesamt entstehen hier 75 Eigenheime, wird mit der Fertigstellung der Straße noch gewartet. „Bei Regenwetter sieht man uns an, woher wir kommen“, klagt Petra Kotte. Ihre schulpflichtigen Kinder müssen zudem in der dunklen Jahreszeit über den unbeleuchteten Schotterweg zur Hauptstraße finden. Die aufgebrachte Anwohnerin der Burgstelle berichtet von Matschlöchern, die eine Tiefe von bis zu 1,10 Meter erreichen. Im Dorf würde gespottet, daß es hier zwar keinen Kindergarten, wohl aber ein Schwimmbad gäbe. Gemeint ist das Straßenbett, das sich bei Dauerregen in einen Kanal verwandelt.

Harald Leker gießt in diesen Hundstagen nicht bloß seinen Zierrasen. Vielmehr ist er mit dem Gartenschlauch unterwegs und wässert den sandigen Boden, „damit der Staub nicht durch Ritzen in die Wohnung dringt.“ Fenster öffnet man hier ohnehin sehr sparsam, denn Autos wirbeln Dreck-Wolken in die Höhe.

Schnelle Änderung kann Horst Bullermann vom Amt für Straßen- und Brückenbau (ASB) nicht versprechen. „Solange hier gebaut wird und schwere Transporte nötig sind, können die Wege nicht gepflastert werden.“ Die Erschließung erfolgt teilweise durch sein Amt und zum anderen privat, durch den Bauträger.

Dafür, daß es in einer Übergangszeit keine fertige Fahrbahndecke gibt, zeigt Gilbert Pauls Verständnis. Daß er, der seit zwei Jahren hier zu Hause ist, sich noch bis ins Jahr 1997 gedulden soll, um trockenen Fußes sein Grundstück zu erreichen, treibt ihm die Zornesröte ins Gesicht, denn die Straße könnte längst fertig sein.

Der Häuserbau im dritten Abschnitt der Wohnanlage, den die RBO jetzt in Angriff nimmt, sollte ursprünglich über eine Extra-Zuwegung erschlossen werden. Über die sollte auch der vierte Bauabschnitt abgewickelt werden. Doch der soll gar nicht kommen, so die RBO. Keine Extra-Zuwegung, das heißt dann aber auch Erhalt der Sandstürme bis ins Jahr 1997.

Der vierte Bauabschnitt würde nämlich ziemlich teuer: „An der Burgstelle“ soll tatsächlich einmal ein historisches Gemäuer gestanden haben. Und der Boden über weiterem Baugrund führt über schützenswerte Bodendenkmäler und alte Warften. Niemand faßt dieses Gebiet an, „denn es drohen hohe Kosten für Ausgleichsmaßnahmen“, so Egon Meyer vom Bauunternehmen RBO. Das Neubaugebiet wird in ein, zwei Jahren an einem großen Wendeplatz enden.

Damit es im Herbst nicht wieder zu großen Überschwemmungen kommt, verspricht Egon Meyer von RBO, zusätzlich Schotter auf die Wege zu bringen. Horst Bullermann (ASB) kann sich vorstellen, jetzt, wo es heiß ist und staubt, mit einem Tankfahrzeug Wasser zu spritzen. Hilfe verspricht auch die Lokalpolitik. Jochen Himmelskamp, Beiratssprecher in Seehausen, möchte die Problematik auf die Tagesordnung gesetzt sehen. Den Kenntnisstand der Beiräte wird auch Ortsamtsleiter Hermann Tietjen aufhellen können. Seehausens „Bürgermeister“ baut selbst „An der Burgstelle“.