Lebenslust und NATO-Frust

■ Neu im Kino: „Barcelona“ von Whit Stillman

„Ich habe Barcelona nie als Tourist oder unbefangener Beobachter erlebt“, sagt Regisseur Whit Stillman über die Stadt, in der er seit 1980 lebt. Das sieht man „Barcelona“ auch an. Wie benehmen sich US-Amerikaner in den 80er Jahren in Spanien? Wie reagieren die Spanier auf zwei gut situierte junge Amerikaner? Kulturelle Reibungsflächen kommen da ans Tageslicht, Mentalitätsinterferenzen oder einfach das Klischee von der Arroganz der Alten Welt versus der Ignoranz der Neuen. Was „Barcelona“ zu gutem Kino macht, ist Stillmans Fähigkeit, seine Themen filmisch umzusetzen. Stimmige Porträts der 80er Jahre sind nicht jeden Tag zu sehen. Brodelnde Anti-NATO-Stimmung in der katalanischen Hauptstadt, Attentate auf US-Institutionen, sexuelle Libertinage, Spanien im Vor-Olympia-Boom. In dieses Ambiente setzt Stillman einen Geschäftsmann aus Chikago und dessen Cousin, einen Navy-Offiziersanwärter. Ein Offizier und Gentleman, sozusagen, denn dieser Film war die Ausgangsidee für Whit Stillman. Die Presse reagierte seinerzeit bitterböse: „facha“ sei der Film, faschistisch. Und mit solchen Worten wird auch Fred Mason (Chris Eigeman) auf der Straße empfangen, als er als „Vorhut“ der Sechsten US-Flotte in Uniform Barcelona betritt und unangemeldet bei seinem Vetter Ted Boynton (Taylor Nichols) auftaucht. Die beiden waren sich noch nie grün, und deshalb weist Ted seinen Cousin auch gleich zurecht: Gäste sind wie Fische. Sie fangen nach drei Tagen an zu stinken.

Fred bleibt aber viel länger. Leiht sich von Ted immer ungefragt Geld (“erspart seinen Kommentar“), macht die Bekanntschaft der hübschen Messe-Hosteß Marta (Mira Sorvino), erfindet in geselliger Runde wüste S/M-Stories über das Liebesleben seines Cousins. Dabei ist Ted gerade auf dem religiösen Trip, nachdem seine Beziehung in die Brüche gegangen ist und er auch noch an seinen Fähigkeiten als Marketing-Mensch zweifelt. Montserrat (Tushka Bergen), die blonde Spanierin, scheint da der letzte emotionale Ausweg zu sein, doch sie hat ihre Lektion der promisken 80er Jahre gelernt – und findet Teds Heiratswünsche äußerst einengend, mehr noch: „facha“.

Sie geht umgehend zurück zu Ramon (Pep Munne), Journalist mit gut sitzendem US-Feindbild und großspuriger Vollblut-Spanier.

Erst als die Stimmung in der Stadt eskaliert und Fred, stolz auf seine Uniform „in der Menschen gegen den Faschismus gekämpft haben“, Opfer eines Attentats wird, nimmt sich sein Cousin Zeit, über sein Verhältnis zu Fred nachzudenken. „Einige der Aspekte der Stadt und der Amerikaner mögen willkürlich ausgewählt und subjektiv sein, aber ich bin davon überzeugt, daß sie authentisch sind“, sagt der Regisseur. Das ist das mindeste, was sich sagen läßt zu einem kleinen Film, der jetzt eine Chance in einem großen Kino bekommt.

Alexander

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