■ Nachgefragt
: „Ohne Schmiergelder läuft in vielen Bereichen nichts mehr“

Vor „flächendeckend ausgebreiteter Korruption“ im deutschen Öffentlichen Dienst hat gestern die Frankfurter Staatsanwaltschaft gewarnt. Hans Janknecht ist Generalstaatsanwalt in Bremen.

taz: Die Frankfurter Staatsanwaltschaft beklagt, daß sich Korruption im Öffentlichen Dienst flächendeckend ausgebreitet habe. Wie ist das in Bremen?

Hans Janknecht: Es gibt Vermutungen, daß in Bereichen der öffentlichen Verwaltung, die sich in großem Umfang mit Beschaffung von Material befassen, Korruption weit verbreitet ist. Man muß befürchten, daß das auch in Bremen der Fall ist.

Überall da, wo der Staat Computer, Möbel, Immobilien kauft...

Ja, denken Sie zum Beispiel an das Galla-Verfahren.

Der Frankfurter Staatsanwalt in der Schwerpunktabteilung Korruption, Günter Wittig, meint, im Bausektor hätten sich inzwischen Bestechungssummen von drei bis fünf Prozent der Auftragssumme eingebürgert.

Diese Zahl kann ich für Bremen nicht bestätigen. Aber man kann auch den Bausektor nicht ausschließen.

Gibt es eine Übersicht über Korruptionsfälle der letzten Jahre in Bremen?

Nein. Das wird bei uns nicht gesondert erfaßt.

Nimmt die Korruption wirklich zu – oder steigt nur die öffentliche Aufmerksamkeit für solche Fälle?

Das ist schwer zu sagen. Aber ich würde das letztere vermuten. Korruption hat es schon immer gegeben. Und wir hatten ja auch früher schon Verfahren, in Bremen zum Beispiel die gegen Galla oder Warrelmann.

Man kann auch sicher sein, daß nur ein ganz geringer Teil dessen, was in dem Sektor an strafbaren Handlungen vorkommt, bekannt wird. Das ist kein spezifisch Bremer Problem, das gilt für alle Staatsanwaltschaften. Und deshalb haben wir uns als Generalstaatsanwälte mit dem Thema befaßt und werden demnächst Vorschläge zur besseren Bekämpfung der Korruption vorlegen.

Zeichnet sich da schon etwas Konkretes ab?

Das wird noch ein paar Monate dauern, aber da kommt was.

In Frankfurt gibt es eine Schwerpunktabteilung der Staatsanwaltschaft für Korruptionsfälle. Wie ist das in Bremen?

Die Bremer Staatsanwaltschaft hat seit etwa einem Jahr einen Sonderdezernenten für Korruptionsfälle. Der ist keineswegs nur für Korrpution zuständig, aber wenn es solche Fälle gibt, bearbeitet er sie.

Der Frankfurter Staatsanwalt Wittig meint, Korruption habe sich flächendeckend „überall dort ausgebreitet, wo der Staat etwas zu vergeben hat, von der TÜV-Plakette bis zur Aufenthaltserlaubnis“. Daß das also keine Einzelfälle sind, sondern eine Struktur des Öffentlichen Dienstes.

Vielleicht hat die Verführung zugenommen. Insgesamt muß man ja sagen, daß es im Geschäftsleben weite Bereiche gibt, bei denen ohne Schmiergelder nichts mehr läuft. Das ist nicht unbedingt strafbare Korruption im engeren Sinne, führt aber zu einer Verrohung der Sitten. Und davon hat sich auch der Öffentliche Dienst nicht freihalten können.

Nun heißt es aus Frankfurt, es könne doch nicht sein, daß ein einziger Beamter von der Auftragsvergabe bis zur Rechnungsanweisung allein zuständig ist.

Ja, die innerdienstliche Kontrolle müßte stärker aufgebaut werden, das Rotationsprinzip müßte häufiger angewandt werden. Damit könnte man der Korruption entgegenwirken. Aber das ist ein Thema der Prävention, das geht mich nichts an.

Fragen: Dirk Asendorpf