■ Philip Morris' böser Vergleich
: Rauch im Juden-Ghetto

Amsterdam (taz) – Die ganzseitigen Anzeigen entbehren nicht der weinerlichen Emotionalität. „Where will they draw the line?“ fragt der US-Rauch-Riese Philip Morris über einem Stadtplan Amsterdams in zahlreichen europäischen Zeitungen. Die Zigarettenfirma wehrt sich gegen die Bestrebungen von immer mehr europäischen Politikern, das öffentliche Rauchen einzuschränken. Ziel der Attacke sind nicht die sich gestört fühlenden Nichtraucher, sondern die Regierungen. Philip Morris verbreitet dabei feinfühlige Texte wie „Der Satz von Pythagoras hatte 24 Wörter, das Gesetz von Archimedes 67, die zehn Gebote 179 und die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 300. Und die europäische Gesetzgebung, wo und wann man rauchen kann, hat 24.942 Wörter.“ Das Leben bis ins Detail zu regeln führe zu Beschränkungen der Freiheit. Solche Bestrebungen seien leicht zu beginnen, aber schwer zu stoppen. Dazu noch der Hinweis, 17.000 europäische Arbeitsplätze und 97 Millionen Verbraucher hingen an den Ami-Glimmstengeln – das müßte reichen, dachten sich wohl die Philip-Morris-Manager in der Europazentrale Brüssel.

Das reicht wirklich, dachten zahlreiche Amsterdamer. Denn der Nikotinmulti wählte einen auch von der US-Sekte Scientology gern gebrauchten Vergleich. In dem Stadtplan ist die angeblich letzte Zone für Raucher in Amsterdam dick umrandet. Die „Smoking section“ ist allerdings nicht irgendein Stadtviertel. Es ist begrenzt von den Straßen Jodenbreestraat, Oudeschans, Valkenburgerstraat – also das ehemalige Judengettho der Stadt. In der Tat sind in der Vergangenheit die Juden Amsterdams mit dem Problem der „Einschränkung der persönlichen Freiheit“ konfrontiert worden – bis in den Tod. Daß sie, wie die Nazis es zynisch ausdrückten, „durch den Schornstein“ gingen, ist ebenfalls bekannt. „Das rauchende Europa ist gewarnt“, titelt die Amsterdamer Zeitung Het Parool. Offenbar wieder mal vor jemandem, der Leiden und Tod der Juden für seine wirtschaftlichen Zwecke mißbrauchen will. Falk Madeja