Kommentar
: Politische Stille

■ Über das Morden im Sommerloch

Was haben wir uns den Hintern abgefroren, damals, als es jeden Tag eine Demo auf dem Bremer Marktplatz gab und am Samstag die größte seit Jahrzehnten. Damals, als an tausenden Häusern die Plakate im Fenster hingen: Stop it! Stoppt den Krieg! Damals, als sich die FriedensfreundInnen hunderte von phantasievollen Aktionen starteten. Damals, als es gegen den Golfkrieg der Amis ging.

Die BosnierInnen haben doppeltes Pech: Erstens werden sie von den bosnischen Serben ermordert, mit freundlicher Unterstützung der serbischen Serben. Das ist der ganz falsche Mörder. Wenn es die Amis wären, ja dann könnte man sich vielleichgt noch zu einem Protestchen aufraffen. Und zweitens werden sie ausgerechnet im Sommerloch umgebracht. Da ist die eine Bremer Hälfte weg, die andere zuckt mit den Schultern, daß ja keiner da ist und denkt an den eigenen Ferienbeginn.

Die Bremer Szene schweigt, fast. Den großen FriedensaktivistInnen fällt kaum noch etwas ein, und die Massen sind trotz der verzweifelten Lage in Bosnien schon gar nicht auf die Bremer Straßen zu bringen. Diese politische Stille angesichts des Mordens ist ein Armutszeugnis. Die BosnierInnen würden sich freuen, wenn die wenige Zwischenrufe lauter würden, und mehr.

Jochen Grabler