Von gelben Tonnen und anderen umwelttechnischen Missionen Von Klaudia Brunst

Die ganze Angelegenheit hatte an einem Winterabend im vergangenen Jahr begonnen. Da klingelte es gegen 22 Uhr an unserer Tür, zu einer Zeit also, wo man nur noch unpassenden Besuch erwartet. „Entschuldigen Sie die Störung“, meinte mein Vermieter scheinheilig freundlich, „wissen Sie zufällig, ob im Haus außer Ihnen noch jemand einen Hund hält?“ – „Nicht daß ich wüßte“, antwortete ich vage, „ist Ihnen denn einer zugelaufen?“ – „Das nicht“, antwortet der Mann. „Aber sollten Sie bei Ihrer Aussage bleiben, daß außer Ihnen in diesem Haus niemand Chappi-Dosen verspeist, dann muß ich davon ausgehen, daß das hier aus Ihrem Besitz stammt!“

Mit unvorstellbar theatralischer Geste holte er daraufhin die verschmierte Mülltüte hinter seinem Rücken hervor, die ich soeben im Hof entsorgt hatte. „Sie erkennen diese Tüte also wieder“, deutete er meine Sprachlosigkeit völlig richtig, „dann sind Sie das also, die die ordnungsgemäße Beschickung der gelben Tonne verweigert!“

„Völlig korrekt recherchiert“, ging nun auch ich in den Angriff über. „Gratulation!“ Eine knappe Minute sagte mein Vermieter gar nichts, dann brach es aus ihm heraus: „Es ist mir ja völlig egal, mit wem Sie ihr Leben verbringen“, schnaubte er und deutete auf den Hund und meine Freundin, die aufgrund des hereinwehenden Müllgeruchs in den Flur gekommen war. „Ich aber habe vier Kinder! Und denen will ich eine saubere Umwelt hinterlassen! Ich dachte, Sie arbeiten bei der taz! Da hätte ich ein bißchen mehr Umweltbewußtsein erwartet!“ Alle meine Erklärungen, daß ich gerade als taz-Mitarbeiterin an den Erfolg des Dualen Systems nicht glauben könne, prallten an ihm ab. Selbst die Überlassung diverser taz-Artikel, in denen nachzulesen war, daß selbst der BUND arge Bedenken gegen das Entsorgungskonzept des Dass erhob, fruchteten nicht. Mißmutig lenkten wir schließlich ein und legten uns nach einem recht konfrontativ geführten Schriftwechsel schließlich einen zweiten, gelben Mülleimer zu.

Wie zu erwarten war, steigerte die Einführung des Dualen Systems auch in unserem Haushalt den Müllanfall sichtbar. Wir brauchten nun viel mehr Mülltüten, denn jetzt konnten wir ja in die leeren Hundefutterdosen keine Kartoffelschalen mehr füllen, und der Restmüll wanderte jetzt regelmäßig halb voll in die dafür vorgesehene Tonne – wegen der raschen, übelriechenden Verwesung.

Immerhin bekamen wir so auch zu einem ganz neuen, kreativen Verhältnis zu unseren Abfällen. Mit dem Zusatz „Herzlichst, Ihre Mieter“ versehen, deponierten wir unserem immer noch müllschnüffelnden Vermieter gelegentlich eine besonders stinkende Fracht in die gelbe Tonne und legten uns dann genüßlich auf die Lauer. Ein Rest von unaufgearbeitetem Missionseifer blieb also.

Bis letzten Dienstag, als das ZDF-Magazin „Frontal“ mit der Meldung aufmachte, die gelbe Tonne sei ein Hort lebensgefährlicher Mikroorganismen, die zu Hautreizungen, Bindehautentzündungen und Asthmaanfällen führen könnten. Am nächsten Morgen rief ich bei meinem Vermieter an, um ihn von der neuen Sachlage zu informieren. „Papa hat schon auf Ihren Anruf gewartet“, meinte sein Sohn altklug. „Er ist gerade in den Stadt und besorgt Ihnen Atemmasken und Schutzanzüge!“