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■ Rosi Rolands Bremer GeschichtenHereinspaziert ins Rathaus

Im Rathaus wird derzeit geschrubbt und gemalert was das Zeug hält. Wieviel das ehrwürdige Abiente genau ab kann, darüber wacht aufmerksam Herr Hoffmann – allerdings nicht Reinhard, der neue Verwaltungschef im Rathaus, sondern Hans-Christian, der Landesdenkmalpfleger. Die Renovierung „im historischen Stil“ war nämlich schon lange vor dem Regierungswechsel geplant.

Trotzdem hat auch Henning Scherf schon erste Duftmarken im Traditionsgemäuer gesetzt. An seinem Amtszimmer wurden die Sperrknöpfe ab- und normale Türklinken anmontiert. Und der Video-Spion in der Tür ist ebenso verschwunden wie die beiden gepanzerten Limousinen und Wedemeiers Leibgarde vor der Tür. Die war Ende der 80er aufgestellt worden, nachdem der Name des Bremer Bürgermeisters auf einer RAF-Liste aufgetaucht war – allerdings in seiner Funktion als Aufsichtsrat der inzwischen von Daimler übernommenen Rüstungsschmiede MBB.

Hereinspaziert, hereinspaziert, das ist das Motto, unter dem Henning Scherf im Rathaus regieren will. Einen Vorgeschmack darauf wird es am 1. August geben. Da nämlich gilt es, den 50. Jahrestag der Ernennung von Wilhelm Kaisen zum ersten Bremer Nachkriegsbürgermeister zu begehen. Unter Wedemeier wäre dafür Bremens beamtete Oberschicht ab A15 aufwärts in die langen Stuhlreihen der oberen Rathaushalle beordert worden, um die vorne am Pult verlesenen Festreden an sich vorbeiziehen zu lassen.

Ganz anders der populäre Henning. Der will bei der Gelegenheit seine in der Bürgerschaft der Koalitionsräson geopferte programmatische Antrittsrede frei und mitten in einer um Stehtische bunt verteilten Schar von BremerInnen halten, die nur verbindet, daß sie sich von der Mahndorfer Feuerwehr bis zum Frauengesundheitszentrum ehrenamtlich engagieren.

„Offenes Rathaus“ ist das Motto, unter dem Scherf in den nächsten Jahren seine Stadt in die überlangen Arme schließen will. Drei Getreue sollen dafür sorgen: Jürgen Holtermann und Birgitt Rambalski hat Scherf aus dem Bildungsressort mitgebracht, Uwe Wischer hat ihm dessen Frau Tine aus dem Sozialressort geschickt. Trotzdem soll es am Ende weniger Rathaus-Personal geben als vorher, verspricht der neue Chef, schließlich könne er zum Beispiel auf vorformulierte Reden locker verzichten.

Wohl wahr, doch ob Scherfs verbale Küßchen auch nach vier Jahren noch schmecken? – fragt sich Rosi Roland

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