Vergifteter „Jungbrunnen“

■ Gesundheitsbehörde warnt vor Östrogenen: höchstens fünf Jahre lang nehmen

Auf Schubkarren werden sie herangekarrt und in den „Jungbrunnen“ gekippt: alte Frauen. Auf der anderen Seite springen sie wieder heraus: schlank und knackig; hinter einer Hecke warten schon die Männer. Dieses Plakat verschicken Pharmafirmen an Frauenarztpraxen. Östrogene als „Jungbrunnen“, lautet die Botschaft an Frauen ab 40: Depressionen verschwänden, die Haut werde durch Wassereinlagerungen straffer... Die Pharmaindustrie verdient gut an der Angst der Frauen vor dem Alter. Jetzt aber macht ihnen eine amerikanische Studie einen dicken Strich durch die Rechnung. Die Einnahme von Östrogenen erhöhe das Brustkrebs-Risiko erheblich: bei 50-65jährigen um 40 Prozent, bei 69jährigen um 70 Prozent.

Der Bremer Epidemologe Professor Eberhard Greiser hat die Zahlen für die Bundesrepublik hochgerechnet und gestern auf einer Pressekonferenz des Gesundheitssenators mitgeteilt: Fast 2.000 neue Brustkrebs-Fälle werden jährlich allein durch Östrogen-Behandlungen verursacht. „Und Brustkrebs ist einer der bösartigsten Krebse“, sagt der Bremer Pharmakologe Peter Sebastian Schönhöfer, „auch wenn wir den Krebs früh entdecken, sterben uns schließlich zwei von drei Frauen daran“.

Doch das Brustkrebsrisiko durch Östrogene ist bei GynäkologInnen wenig bekannt. Jedenfalls verschreiben sie fast der Hälfte aller Frauen in den Wechseljahren Östrogen-Präparate. Mittlerweile werden viele Frauen sogar schon vor den Wechseljahren mit Östrogenen „behandelt“. „Die Frauen haben ja nicht mal mehr die Chance, auszuprobieren, wie ihr Körper tatsächlich auf das Ereignis Wechseljahre reagiert und wie sie selbst damit klarkommen“, kritisiert die Bremer Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe. Dabei sei das Klimakterium keine Krankheit, sondern eine Lebensumbruchphase.

Nun klagen aber doch viele Frauen über Hitzewallungen, Depressionen und Schlafstörungen in den Wechseljahren, und sie sind überzeugt, daß es ihnen nach der Einnahme von Östrogenen viel besser ginge. „Der subjektive Faktor“, meint Hauffe da nur, „wenn Sie sich ein Kleid kaufen, dürfen sie auch nicht hinterher zweifeln, ob es Ihnen steht“. Nun ja, sagt der Pharmakologe Schönhöfer, Östrogene können schon ein Stück weit helfen, aber man muß das Brustkrebsrisiko minimieren: Aus der US-Studie zieht er den Schluß, daß Östrogene nicht länger als fünf Jahre lang eingenommen werden sollten. Danach steige das Risiko drastisch. Bislang sah man diese Grenze erst bei zehn Jahren.

Daß es auch ganz andere Behandlungsmethoden gibt, weiß zum Beispiel die Heilpraktikerin Barbara Krekeler, Expertin des Frauengesundheitszentrums: „Bei Hitzewallungen helfen auch pflanzliche und homöopathische Mittel, zum Beispiel Remifemin.“ Viele Frauen klagen jedoch auch über eine trockenere Vaginalschleimhaut. Muß man eben Gleitcremes benutzen, sagt Barbara Krekeler ganz pragmatisch, oder frau steht zu ihren Bedürfnissen und braucht eben drei Stunden Vorspiel.

Und Depressionen? Die sind meist gar nicht durch die Hormonumstellung verursacht, sondern durch die Angst der Frauen vor dem Älterwerden und dem damit verbundenen sozialen Status, schreibt die Bremerin Eva Schindele in ihrem Buch „Pfusch an der Frau“. Nur 15 Prozent der Nöte während der Wechseljahre seien tatsächlich hormonell bedingt, zitiert sie neuere Untersuchungen.

Bei einer anderen Gruppe von Frauen allerdings rät die Gesundheitsbehörde nicht so dringlich von einer jahrelangen Östrogen-Behandlung ab: bei Frauen, die gefährdet sind, an der sehr schmerzhaften Osteoporose (Knochenschwund) zu erkranken. Da könne der Nutzen durch Östrogene doch das Risiko übertreffen. Allerdings: „Von 100 mit Östrogen prophylaktisch behandelten Frauen, müßten eigentlich nur zehn behandelt werden“, sagt Peter Sebastian Schönhöfer. Derzeit nehmen ÄrztInnen nur die Knochendichte als Kriterium für Osteoporose-Gefährdetheit. Tatsächlich gefährdet seien aber, so Schönhöfer, nur Frauen, die bereits rheumatisch erkrankt sind oder einen Osteoporose-Fall in der Familie haben. cis

Pro Familia bietet für Frauen in den Wechseljahren Einzel- und Gruppenberatung an. Tel.4992090.