Lob der Höflichkeit

■ Neu im Kino: „Madadayo“, ein sehr japanisches Epos von Akira Kurosawa

Einige Filme aus anderen Ländern und Kulturen reisen besser als andere! Trotz oder oft gerade wegen ihrer Fremdheit verführen sie das Publikum auf der anderen Seite der Erde manchmal sogar mehr als die einheimischen Zuschauer. Akira Kurosawa kann ein Lied davon singen: Er wurde schon immer im Westen mehr gefeiert als zu Hause in Japan. Seine besten Filme erzählten universelle Geschichten und er selbst war sehr beinflußt von westlicher Kultur: von Shakespeare, John Ford und sogar von Thrillerautoren wie Ed McBain. Um so erstaunlicher ist es, wie schwer dem europäischen Zuschauer der Zugang zu Kurosawas neusten Film „Madadayo“ fällt. Der zur Drehzeit 82jährige hat hier ein Alterswerk geschaffen, in dem er offensichtlich keinerlei Rücksicht mehr auf die Erwartungen der Zuschauer nehmen wollte. Berühmt wurde er mit Actionfilmen, und wie aus Trotz macht er nun einen Film ohne jegliche Aktion. In „Madadayo“ wird 134 Minuten lang einem alten Professor und Schriftsteller von seinen Studenten gehuldigt. In endlos langen Zeremonien, mit langen Gesängen und vielen bewundernden Blicken der Jünger auf den Meister, der sich wie eine Mischung aus Narr und Heiligem aufführt.

Kurosawa erzählt hier von den Alterstagen des berühmten Schriftstellers Hyakken Uchida, aber es drängt sich schnell der Verdacht auf, daß der Regisseur eigene Sehnsüchte in Szene setzte: Er feiert diesen alten Mann so liebevoll und detailversessen, weil er selbst auch so gewürdigt und gepflegt werden will. In Japan hat das Ehren und Betreuen der Alten einen ganz anderen Stellenwert als bei uns, und so bleiben all die Gesänge, Lobreden und Höflichkeiten dem deutschen Zuschauer fremd. Viel mehr ist aber nicht drin in diesem Film. Der alte Professor wird noch als unwürdiger Greis gezeigt, der etwa in seinem Haus Hinweisschilder für eventuelle Einbrecher anbringt, aber der komische Doppelsinn von japanischen Schriftzeichen bleibt uns leider zwangsläufig verborgen.

„Madadayo“ ist unbestritten mit meisterlicher Hand gemacht. Jede Einstellung, die Schnittfolge und der dem alten Mann gemäßen langsame Rhythmus des Films sind makellos. Aber wer keine besondere Affinität zur japanischen Kultur besitzt, der wird sich in diesem Film erbärmlich langweilen. Der dramatische Höhepunkt von „Madadayo“ ist eine lange Suche nach dem entlaufenden Kätzchen des Meisters. Ob wohl die sieben Samurai es schließlich doch gefunden hätten?

Wilfried Hippen Kino 46, tägl. bis Di. , 20 Uhr