Auf Du und Du mit den Salzwiesen
: Ökos wollen die Sommerdeiche öffnen

■ Der Streit zwischen Natur- und Deichschutz an der Küste geht weiter

Wo sich derzeit wieder Hunderte von Sommergästen tummeln und unter sengender Sonne brutzeln, steht ein seit einigen Wochen heiß umstrittenes Naturobjekt: Der Sommerdeich des Münstersommerpolders bei Dornumersiel auf Norderney. Es streiten sich: Auf der einen Seite die UmweltschützerInnen unter anderem die AG Wattenmeer. Auf der anderen Seite die das staatliche Amt für Insel- und Küstenschutz (StAIK) und die Deichacht Esens Harlingerland. Die einen sagen, der Sommerdeich muß aus ökologischen Gründen weg, die anderen, er muß aus Gründen des Küstenschutzes bleiben.

Der Streit ist nicht ganz neu, aber dafür umso heftiger entbrannt. Der Sommerdeich befindet sich direkt vor dem Meer und schützt den Polder (Gebiet vor dem Hauptdeich) und damit den Hauptdeich durch seine seegangsdämpfende Wirkung vor Überflutung; das meinen zumindest das StAIK und die Deichacht. Doch gerade dies verhindere die Entstehung von Salzwiesen, einem Lebensraum für besondere Planzen- und Tierarten, entgegnen die UmweltschützerInnen. Hinter der vorrangig auf den Küstenschutz ausgerichteten Position stünden vor allem wirtschaftliche Interessen, denn wenn Polder geflutet werden, können sie landwirtschaftlich nicht genutzt werden. Ausschließlich zu diesem Zweck sei der Sommereich 1937/38 vom Reichsarbeitsdienst gebaut worden, sagt der BUND. „Doch auf dieser Fläche sollte mitlerweile eigentlich wieder die Natur Vorrang haben“, meint BUND-Geschäftsführer Carl Wilhelm Bodenstein-Dresler, und erinnert an die Festschreibung des Salzwiesenprojektes als Ausgleich für die Euro-Pipe-Gasleitung 1993 .

Für Maßnahmen am Sommerdeich, an dem Wege instandgesetzt werden sollen, wurde jetzt erneut eine halbe Million Mark Landesmittel verplant. „Diese Pläne machen jedoch alle Natur- und Vogelschutzbemühungen zunichte“, so Bodenstein-Dreßler.

Das Argument Küstenschutz zieht auch nicht, sagt der BUND: In den niederländischen Provinzen Groningen und Friesland beabsichtigt man, über 1.000 Hektar vom Sommerdeich zu befreien. Denn auf den durch die häufigen Meerüberflutungen entstehenden Salzwiesen könne sich Schlick ablagern, der den dahinterliegenden Deich ebenfalls vor Flutwellen schützt, so BUND-Küstenexperte Uilke van der Meer. „In den Niederlanden wird dieses Projekt mit 12 Millionen Mark von der EU unterstützt; - warum geht so etwas nicht auch in Niedersachsen?“

In einem Schreiben wandte sich die AG Wattenmeer jüngst an Margitta Terborg, Vorsitzende der Parteiübergreifenden Abgeordneteninitiative Küstenschutz im Bundestag. Hierbei stützen sie sich auf ein Gutachten des Landesamtes für Ökologie, das den Sommerdeichen „meist“ keine seegangsdämpfende Wirkung bescheinigt.

Doch in dieser Behörde scheint man sich nicht ganz einig zu sein, denn die Forschungsstelle Küste, eine „Zweigstelle“ des NLÖ, betont dann doch wieder die Entlastungsfunktion der Sommerdeiche für den Hauptdeich. Damit schließt er sich sowohl dem StAIK, als auch der Deichacht Esens Harlingerland an. Die Deichacht hat einen handfesten Grund: Sie ist für die Entsorgung des Teeks zuständig, angeschwemmte abgestorbene Pflanzen, die regelmäßig entfernt werden müssen, weil sie sonst die Vegetation auf dem Deich zerstören. Und diese Entfernung kostet Geld. Das sei der Hauptgrund für die Weigerung der Deichacht, den Sommerdeich zu öffnen, vermutet der BUND. rem