Grüne Koffer statt Sterne

Öko-Tourismus entwickelt sich in Brandenburg langsamer als in anderen Ländern / In Berlin werden ökologische Stadtrundgänge angeboten  ■ Von Matthias Fink

„Viele Touristen konsumieren Strand, Sonne und flüchtige Vergnügen. Umweltbewußte Reisende machen sich nach dem Motto buddhistischer Mönche den Weg zum Ziel und wählen eine menschen- und naturfreundliche Route.“ So empfiehlt es „Das alternative Branchenbuch“. Das auf das Vorwort folgende Verzeichnis enthält gleichwohl Adressen, bei denen Flugreisen genauso wie Urlaub auf dem Bauernhof gebucht werden können.

Radtouren in Brandenburg mit Übernachtungen in umweltgerecht wirtschaftenden Gasthöfen finden sich im Programm vom Reisebüro „Vita – sanfte Reisen“ in Friedenau. Es reicht andererseits „bis zum alternativen Hotel auf Jamaika“, erläutert Inhaberin Gabriele Herig. Wie in der konventionellen Branche gibt es sowohl einzelne Quartiervermittlungen als auch Pauschalreisen. „Wenn es in die Ferne geht, sind die Fluggesellschaften gefordert, so umweltverträglich wie möglich zu fliegen“, beschreibt sie die Kompromißlinie zwischen Umweltschutz, Exotik und Entwicklungsförderung. Die „Interessengemeinschaft der Anbieter, Vermittler und Veranstalter von umweltfreundlichen und sozialverträglichen Reisen“, der Frau Herig angehört, ist sich der Verschiedenheiten in ihrem Angebot bewußt. So hat die Organisation ein Gütesiegel entwickelt: „Grüne Koffer“ werden anstelle der klassischen Sterne der Hotelbranche vergeben – bisher allerdings nur zur internen Einstufung.

Bei Anbietern wie bei Vermittlern sind die verschiedenen Grade von Umweltverträglichkeit ökonomisch bedingt. „Kleine Reiseveranstalter können sich nur über Wasser halten, wenn sie auch Flugreisen anbieten“, weiß Christine Garbe, Sprecherin des Arbeitskreises „Freizeit Sport Tourismus“ beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND).

Doch auch mancher Urlaub ohne weite Anreisewege stößt bei dem Umweltverband auf Kritik. Problemfall ist der vor allem an den Havelseen beliebte Wassersport. „Die Gewässer werden durch Jet-Ski oder Kanusport, die sich in ungeregelter Weise ausbreiten, stark belastet“, klagt Garbe. So wird durch die heftigen Bewegungen häufig das Schilf im Uferbereich zerstört. Namentlich das Rhin-Luch bei Fehrbellin leide deutlich unter den KanutInnen.

Verursacht würden solche Fälle von schädlicher Tourismusnutzung nicht zuletzt durch mangelnde Regionalplanung in Brandenburg. Wo Fremdenverkehr gefördert werden soll und welche Gebiete dafür tabu bleiben müssen, sei nicht ausreichend geregelt.

Umweltgerechter Ausbau scheitert oft am Geld

Auch GastwirtInnen, die ihren Betrieb umweltfreundlich auf- oder ausbauen wollen, können in Brandenburg noch nicht so viel Hilfestellungen erhalten, wie es bei den Verbänden in Bayern oder Hessen oft schon Usus sei. So scheitert eine umweltgerechte Gestaltung von Urlaubseinrichtungen oft an den Finanzen, erklärt Andreas Lorenz, Mitarbeiter beim Tourismus-Beratungsunternehmen Reppel und Partner. „Unter kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist eine Sanierung schwer durchzusetzen. Dabei rentieren sich Mehrausgaben nach einer gewissen Zeit!“

Das klassische Modell von naturnahem Urlaub ist in Brandenburg aus historischen Gründen schwierig zu etablieren. „Urlaub auf dem Bauernhof“, beliebter Nebenerwerb großstadtnaher Landwirte, ist hier selten zu finden, da es diese Unternehmergattung seit der Kollektivierung zu DDR-Zeiten kaum noch gibt. Garbe schätzt, daß auch die „ästhetische Eignung“ der LPG-Gebäude für Erholungszwecke oft nicht gegeben sei.

Eine besonders große Rolle spielt die ländliche Romantik bei der Idee der „Heu-Hotels“. Statt gediegenen Fremdenzimmern soll in diesen Herbergen ein mit Heu gepolsterter Abschnitt in der Scheune bereitstehen, auf dem sich die TouristInnen in mitgebrachten Schlafsäcken kuscheln können. Andreas Lorenz berichtet, daß ein Modellprojekt in Brandenburg läuft, bei dem das „Heu-Hotel“- Konzept in einer genehmigungsfähigen Form realisiert werden soll.

Lohnend wird es für Alternativbetriebe, wenn sie eine breite Palette von Urlaubsaktivitäten anbieten können. Solch ein Programm kann meist nur schrittweise aufgebaut werden. Der seit 1991 entstandene Bioland-Bauernhof in Gallinchen bei Cottbus ist dabei schon gut vorangekommen. Schon seit längerem veranstaltet der ökologisch wirtschaftende Hof Reitkurse, die vor allem von Schulklassen aus der Umgebung genutzt werden. Heute werden schon 15 Plätze zum Übernachten angeboten, weitere 13 kommen bald durch einen weiteren Ausbau dazu. Dadurch kann man hier jetzt auch Urlaub machen – „auch wenn man nicht reiten möchte“, wie Mitarbeiterin Liane Below klarstellt. Die Gäste können sich verschiedene Formen der Landwirtschaft näher ansehen, erläutert sie. „Ein bis zweimal in der Woche backen wir Brot in unserer Hofbäckerei. Das Mehl kommt von der Mühle, die unser Getreide abnimmt“. Diese Erholungsweise werde vor allem von Gästen aus dem Berliner Raum genutzt.

Ökologischer Tourismus ist auch in der Stadt möglich

Noch deutlicher ausgeprägt ist die Verbindung von ökologischer Erholung und Bewußtseinsbildung bei dem 1983 gegründeten Verein Stattreisen in Berlin-Wedding. Sein Programm umfaßt Bildungsreisen aus sozialgeschichtlicher und emanzipatorischer Perspektive, aber eben auch mit Blick auf Umweltbelange. „Stattreisen“- Touren ins märkische, mecklenburgische und anhaltinische Umland werden daher nach Möglichkeit mit Bahn, Fahrrad oder zu Fuß bewältigt. Wer in touristischen Gruppen neue Denkanstöße für ökologische Fragen erhalten will, braucht dazu nicht in jedem Fall aus der Großstadt zu fliehen. „Die Stadt soll nicht per se mit Umweltfeindlichkeit assoziiert werden“, beschreibt Pressesprecherin Annette Noack das Ziel eines speziellen Angebotes im „Stattreisen“- Programm. In diesem speziellen Trip, so erklärt sie, sollen „unterschiedliche Ebenen von stadtökologischen Problemen“ beleuchtet werden. Pflanzenkläranlage, Kita mit Solarenergie, Verkehrsproblematik und behutsame Stadterneuerung lauten die Stichpunkte, illustriert an verschiedenen Objekten in Kreuzberg. Kerosin oder Kohlenmonoxid werden bei dieser Tour nicht ausgestoßen, denn Fortbewegungsmittel sind die eigenen Füße.