Ährenkranz mit dem Staubsauger getilgt

„Nestbeschmutz“, eine Benefiz-Auktion zugunsten der angeklagten BesetzerInnen der Neuen Wache  ■ Von Gudrun Holz

Wir erinnern uns: Im November 1994 wurde die Neue Wache wiedereröffnet, erbaut vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm als Königliche Wache 1818, umgestaltet 1931 als Gedächtnisstätte für die toten Soldaten des ersten Weltkriegs. Seit 1960 war sie „Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus“ der DDR.

Neu an der gesamtdeutschen Neuen Wache war weniger die Pieta von Käthe Kollwitz im Innenraum als zwei Zusatztafeln am Eingang zur Gedenkstätte. Darauf werden die „Gefallenen der Weltkriege“ in der Reihenfolge vor „den Millionen ermordeter Juden, Sinti und Roma, den Homosexuellen und politisch Verfolgten“ genannt. Pauschal ist von den „Völkern, die durch den Krieg gelitten haben“ die Rede, ganz am Schluß werden die Mitglieder des Widerstands genannt. Unter relativierendem Vorzeichen wurden Täter und Opfer, SS-Soldaten und KZ-Tote vermischt. – Folgerichtig protestierten Mitglieder des Berliner Auschwitzkomitees der BRD, der Antirassistischen Initiative und Mesulash Berlin gegen den Akt der vereinnahmenden „Ein-Opferung“. Zusammen mit anderen Personen besetzten sie am 9. November 1994 die Wache mit Forderungen wie „Kein Bitburg unter den Linden“ und „Deutsche Täter sind keine Opfer“. Es kam zur gewaltsamen Räumung, die die in- und ausländische Öffentlichkeit und Presse auf den Plan rief. Aber eine Debatte blieb unerwünscht: Das Bundesinnenministerium stellte Strafanzeige gegen die BesetzerInnen.

Deutlicher wird diese Tendenz noch in der Kontinuität, die sich in der geplanten Wiederaufstellung der Scharnhorst- und Blücher- Denkmäler abzeichnet. Der Gründer der Preußischen Armee und einer ihrer berüchtigtsten Kriegsstrategen neben der Gedenkstätte, die die Opfer des deutschen Faschismus zu ehren vorgibt – das ist eine Geschichtslektion zum Abgewöhnen. Hausherr Kohl erklärte zur Einweihung der Neuen Wache: „Es hat etwas mit der Würde unsers Landes zu tun, wie wir mit dem Gedenken an die Toten umgehen.“ Die BesetzerInnen der Neuen Wache dagegen forderten eine öffentliche Auseinandersetzung und sind nach wie vor nicht gewillt, die ideologische und historisch unzutreffende Verwischung des Gegensatzes von Opfer und Überlebenden der nationalsozialistischen Verfolgung mit den Tätern zu akzeptieren. Neun der Besetzerinnen sind inzwischen von der Staatsanwaltschaft Berlin unter dem Vorwurf des Hausfriedensbruchs, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und in einem Fall wegen Beleidigung angeklagt. Während des Ermittlungsverfahrens gab es das zweischneidige Angebot der Verfahrenseinstellung, sollten sich die BesetzerInnen beim Polizeipräsidenten für ihr Verhalten gegenüber der Berliner Polizei entschuldigen.

Aus Anlaß der Prozesse findet am Samstag eine Solidaritäts-Party in SO 36 für die Angeklagten statt, bei der die „Black Liberation Sounds“ auflegen. Besondere Beachtung verdient eine Auktionsausstellung im Kato: Unter der Schirmherrschaft von Christine Fischer-Defoy, Vorsitzende des Aktiven Museums, haben über 30 FotografInnen und bildende KünstlerInnen Arbeiten zur Verfügung gestellt, die mit einem Grundgebot zwischen 100 und 300 Mark versteigert werden. Der Erlös geht an die Angeklagten.

Unter den Exponaten sind zwei Serien von Videoprints aus Birgit Heins Film „Unheimliche Frauen“: eine vor dem Brandenburger Tor salutierende Rotarmistin; Partisaninnen, die allesamt das Bild der bewaffneten, zum Opfer bereiten Frau zeigen. Die Galerie am Chamissoplatz stiftete einen Siebdruck des Berliner Zeichners und Cartoonisten Fickelscherer, auf dem auf Schwarz-Rot-Gold der Ährenkranz mittels Staubsauger getilgt wird. Der Fotograf Günter Zint mit seinen sozialrealistischen Arbeiten und einem Jimi- Hendrix-Porträt von dessen erster Deutschland-Tournee ist ebenso vertreten wie Rolf Zöllners fotojournalistische Arbeiten und Landschaftsaufnahmen. Marily Stroux zeigt Aufnahmen der „Frauen in Schwarz“ aus Jerusalem und dem Gaza-Streifen. Insgesamt verspricht die Austellung eine sehenswerte Auswahl, deren AutorInnen auf ihre Weise Solidarität mit den BesetzerInnen der Neuen Wache zeigen.

Versteigerung am Sonntag, 15 Uhr, im Kato/U-Bahnhof Schlesisches Tor; Besichtigung noch bis 23. Juli, täglich 14–1 Uhr