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Betr.: Biergarten im Prenzlauer Berg

War die Münchner Biergartenrevolution eine Herzensangelegenheit des bajuwarischen Volkes, ist die berlinische Variante eher ein justitiabler Sturm im Weizenglas. Einen Biergarten mit 90 Plätzen wollten zwei junge Männer im Prenzlauer Berg eröffnen. Ohne Kneipe, sondern mit Zelt, auf einem mit Brandmauern eingefaßten Brachgelände am Kollwitzplatz Ecke Wörther Straße. Der Bezirk, zuständig für die Baugenehmigung, lehnte ab. Das Verwaltungsgericht allerdings hatte ein Herz für die Versorgungslage der Bevölkerung in diesen heißen Nächten und ordnete eine bis September 1995 befristete Genehmigung an.

Auslöser für den ersten Biergartenstreit des diesjährigen Sommers ist die „örtliche Versorgung“. Genügt das Angebot an Biergartenplätzen für die ortsgebundene Nachfrage an Hopfenkaltschalen, befriedigt jeder weitere Biergarten vorrangig nur den Durst von Touristen. Dann kann eine Genehmigung verweigert werden. So jedenfalls ist die Rechtslage. Grund genug für Baustadtrat Matthias Klipp, dem öffentlichen Rausch die Genehmigung zu verwehren.

Anders sah es dagegen der Richter am Verwaltungsgericht. Die Genehmigung des Antrags durch eine einstweilige Anordnung fand Richter Bath von Dursts wegen so innovativ, daß er sie der Presse über die Justitzverwaltung zufaxen ließ. Demzufolge ist die Nachfrage nach Kaltgetränken unter den Menschen im Kiez noch nicht befriedigt: „Ein Biergarten mit 90 Plätzen“, rechtfertigte sich der Richter, „dient vorwiegend der örtlich ansässigen Bevölkerung.“ Trotz Ortstermin scheint der Richter freilich mit den Örtlichkeiten zwischen Wasserturm, Kolle und Husemannstraße wenig vertraut. Vom Trampelpfad habe er ja gehört, meinte er: „Aber kann man da auch sein Bier im Freien trinken?“Uwe Rada

Foto: Markus Kirchgäßner

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