"Hartelijk welkom!"

■ Schöne Urlaubspleite im sogenannten Familienhotel

Urlaub machen, und das so gemütlich wie zu Hause – wo könnte man das besser als bei einer Familie? Wenn Mutter, Vater, Kind die Pforten ihres Heimes öffnen, ist das schließlich doch etwas anderes, als wenn man sich auf dem Weg ins Hotelzimmer an schichtweise wechselnden Pförtnern vorbeischleichen muß. Auf den Regalen in den Zimmern stehen noch die Bücher der inzwischen erwachsenen Tochter, und beim Frühstück hält man mit der Frau des Hauses einen gemütlichen Plausch über das Wetter und die alten Zeiten.

So hatten wir uns das vorgestellt, als wir im Katalog auf das Hotel van Haalen in Amsterdam stießen. Die Fotos vermittelten so viel Behaglichkeit, daß uns der Aufenthalt auch den Preis eines Dreisternehotels wert war. 160 Gulden (145 Mark) für ein Doppelzimmer. Es liege zur malerischen Prinsengracht hinaus, sagte der Familienvater am Telefon. Außerdem hat die Familie van Haalen eine Garage im Haus. Und wer schon mal in Amsterdam war, weiß einen sicheren Stellplatz für sein Auto zu schätzen.

„30 Gulden zusätzlich!“ wurde uns vom Sohn des Hauses bei der Ankunft schnell bedeutet. In der Anzeige war davon keine Rede. Aber gut, man will ja nicht geizen. Ein schöner Urlaub ist das allemal wert. Doch das Zimmerchen, immerhin das teuerste im ganzen Haus, hatte wohl auch schon bessere Zeiten gesehen: Kein Buch der erwachsenen Tochter, keine Starposter an der Wand. Dafür eine Plastikplatte, damit die Gäste mit ihren Koffern den Putz nicht schmutzig machen. Dabei war auch die Platte längst nicht mehr durchsichtig, sondern so staubig, daß sie fast wie ein Gemälde der Postmoderne wirkte. Und durch die hastig aufgepinselte Farbe an den Wänden lugten überall braune Flecken. Die Verkleidung der Lampe war heruntergerutscht und legte ihr schäbiges Inneres offen. Die beiden Sitzmöbel mögen in den Fünfzigern neu und modern gewesen sein. Heute ist ihr Samtbezug schlichtweg abgeschabt. Die Baustellenlampe in dem groben, nachträglich in das Zimmer gestellten Badkasten blinkte, weil das Kondenswasser der Dusche von der Decke ständig hineintropfte. Und die für uns bereitgelegten Handtücher hatten nicht nur faustgroße Löcher, sondern waren auch noch dreckig. Schöne Bescherung! Gut, daß sich unter dem staubgrauen Flokati wenigstens ein halbwegs brauchbares Bett befand. So konnte man es immerhin schlafend aushalten.

Auf der Suche nach einer Blumenvase öffneten wir vorsichtig das Nachbarzimmer, nachdem wir höflich angeklopft hatten. Niemand da! Aber es war offen. Und es war leer, das heißt unbewohnt. Genau so, wie wir uns ein Zimmer in einem Familienhotel vorgestellt hatten: mit Kamin, zwei Sesseln, die zueinander paßten und ihren Glanz nicht schon zu Elvis' Zeiten eingebüßt hatten; mit abgeschirmten Elektroleitungen und mit einem abgetrennten Badezimmer. Aber vor allem: Das Zimmer war sauber! Wir wollten tauschen! Immerhin hatten wir ein Zimmer gebucht und nicht etwa einen Keller. Und es gab ja Zimmer.

Aber mit bockiger Miene erreicht man nichts, auch nicht bei einem Herbergsvater. Obwohl wir dem Manne unser Anliegen also höflich, fast verschämt vortrugen, entgleiste dem gleich das Gesicht: „Was haben Schie in dem Schimmer verloren?“ herrschte er uns mit rotem Gesicht an. Sein Benehmen sei ungastlich? Wie besoffen torkelte er mir mit einer Drohgebärde entgegen. Also nee, so weit geht meine Familienliebe denn doch nicht! Den Rest unseres Urlaubs haben wir dann woanders verbracht, in Belgien. Und künftig kann mir Familie im Urlaub gestohlen bleiben. Bis auf die eigene vielleicht. Uwe Hellner