Rebellion der Religiösen

■ Rabbiner rufen Israels Soldaten zur Verweigerung des Abzugsbefehls auf

Tel Aviv (taz) – Eine Gruppe national-religiöser Rabbiner hat in Israel mit einem „Urteil“ für innenpolitischen Aufruhr gesorgt. In dem am Mittwoch veröffentlichten Text verbieten die Rabbiner gläubigen Juden, Siedlungen und Militärlager in den besetzten Gebieten den „Goyim“, den Nichtjuden, zu übergeben. Für die gläubigen israelischen Soldaten, die sich gemäß dem Regierungsabkommen mit der palästinensischen Führung aus den Städten des Westjordanlandes zurückziehen müssen, bedeutet das Verdikt der Rabbiner praktisch einen Aufruf zur Befehlsverweigerung.

In ihrem „religiösen Edikt“ berufen sich die Rabbiner auf die biblische Vorschrift: „Du sollst nicht tatenlos zusehen, wenn deines Nachbarn Blut fließt.“ Wenn sich die Armee zurückziehe, so die Argumentation, seien die jüdischen Siedler den Palästinensern schutzlos ausgeliefert.

Die Regierung und die nicht-religiöse Öffentlichkeit Israels reagierten empört auf das Verdikt der Rabbiner. Israels Präsident Eser Weizman sprach von der „Gefahr eines Bürgerkriegs“, und auch der gegenwärtig amtierende Oberrabbiner Jisrael Meir Lau distanzierte sich öffentlich von dem Befehlsverweigerungsurteil seiner Kollegen. Aus Israels Armee hieß es nur, Befehlsverweigerer hätten sofort mit strafrechtlicher Verfolgung zu rechnen.

Der „Vereinigung der Rabbiner für das Land Israel“, die das Edikt verfaßte, gehören Hunderte Rabbiner in und außerhalb Israels an. Sie unterstützen die Siedler in ihrem Widerstand gegen die Regierungsabkommen mit der PLO und wollen jeglichen Rückzug aus dem besetzten Westufer um fast jeden Preis verhindern.

Frau Schulamit Aloni, Kommunikationsministerin für die liberale Meretz-Partei, sprach von „organisierter Rebellion“ und verlangte die Auflösung der militärischen Spezialeinheiten, in denen orthodoxe Talmudschüler ihren Militärdienst mit religiösen Studien verbinden. Amos Wollin