„Sie haben mich wie ein Ding behandelt“

■ Ibtihal Yunis, Professorin an der Universität Kairo, findet, daß die absurde Literatur im Vergleich zu ihrem Fall schlecht abschneidet: „Was mir passiert, ist kafkaesker als Kafka“

Sie wurde niemals um ihre Meinung gefragt: die zwangsgeschiedene Ibtihal Yunis. Die 37jährige Diplomatentochter graduierte an der Pariser Sorbonne-Universität und ist heute Professorin für spanische und französische Kunstgeschichte in Kairo.

taz: Vor zwei Wochen haben Sie in der ägyptischen Polit- und Kulturzeitschrift Rose El-Yusuf Ihre Lage beschrieben. Sie sagten, Sie fühlen sich wie vergewaltigt.

Ibtihal Yunis: Von einer Frauenperspektive gesehen, fühle ich mich durch den Fall wie vergewaltigt. Die Leute, die die Anklage gegen meinen Mann vorbringen, haben sich das Recht herausgenommen sich in mein Privatleben einzumischen, es öffentlich zu machen. Jeder kennt mein Privatleben jetzt. Sie haben mich wie eine Minderjährige oder ein Ding behandelt. Sie wollten meinen Mann bestrafen, indem sich mich benutzten. Sie sagten, daß es ihnen überhaupt nicht um die Frau geht. Ich fühle mich, als ob sie meine menschliche Existenz, meine Persönlichkeit, meine Sinne, meine Gefühle vergewaltigt haben; alles außer meinen Körper. Welchen Wert hat dieser Körper, der noch übriggeblieben ist, dann noch?

Wie werden Sie tun?

Natürlich werden wir weiter zusammenbleiben. Ich bin schon lange nicht mehr minderjährig. Ich habe eine Persönlichkeit, eine Karriere. Ich bin Professorin an einer Universität. Ich weiß, was ich mache. Ich werde niemandem erlauben, für mich Entscheidungen zu treffen. Heiraten ist etwas sehr Persönliches. Zu heiraten oder sich scheiden zu lassen, ist eine Entscheidung von zwei Menschen. Ich habe diesen Mann gewählt, ich glaube an ihn, und ich bleibe mit ihm zusammen. Die einzigen, die eine Scheidung beantragen können, sind mein Mann und ich.

Ihr Mann ist mit dem Tod bedroht, hat eigene Bewacher. Haben Sie Drohungen bekommen, da Sie Ihren Mann nicht verlassen?

Sie sagen, daß alle, die meinen Mann unterstützen, getötet werden sollen. In einem Fax, das von der militanten islamistischen Dschihad-Organisation aus der Schweiz geschickt und veröffentlicht wurde, steht das schwarz auf weiß. Da ich die erste bin, die meinen Mann unterstützt, beziehe ich das auch auf mich. Das Fax kam zwei Tage nach dem Anschlag auf den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak.

Haben Sie jetzt auch Bewacher?

Wir beide. Wir machen ohnehin viel zusammen. Nach den Semesterferien sollen wir auch Bewacher im Auto und an der Universität haben. Aber ich kümmere mich nicht allzu viel darum.

Fühlen Sie sich ausgeschlossen, wenn heute alle Medien vom Fall „Nasr Hamid Abu Zaid“ sprechen? Zu einer Scheidung gehören ja immerhin zwei Menschen?

Wer von ihm spricht, spricht von mir. Wir sind zwei Seiten einer Medaille.

Wird der Fall Ihrer Meinung nach die Auseinandersetzung zwischen Islamisten und Säkularisten noch mehr polarisieren?

Zunächst würde ich sie nicht Islamisten nennen, weil sie nur die Maske des Islam tragen. Es ist ein kritischer Augenblick. Diese Gerichtsentscheidung ist gegen die gesamte ägyptische Gesellschaft gefällt worden. Es geht nicht nur um mich und meinen Mann. Vielen Menschen wurde die Gefahr jetzt noch mehr bewußt. Wir müssen sie jetzt stoppen, das ist eine entscheidende Schlacht. Es ist eine Schlacht um das persönliche Leben.

Sie sagten zuvor, Sie fühlen sich wie eine Minderjährige behandelt. Bringt dieser Fall auch eine besondere Botschaft für die ägyptischen Frauen mit sich?

Natürlich. Er zeigt das Image, das die Islamisten den Frauen in unserer Gesellschaft geben wollen. Darum behaupte ich auch, daß sie sich vom Islam entfernt haben. In Wirklichkeit gesteht der Islam den Frauen viele Rechte zu. Jetzt versuchen sie, uns diese Rechte zu nehmen. Gewalt gegen Frauen ist eines der Themen, die wir auf der UN-Frauenkonferenz in Peking diskutieren wollen. Gewalt ist es nicht nur, eine Frau zu schlagen. Es gibt ebenso eine sprachliche Gewalt. Das ist es, was sie jetzt mit uns machen.

Manche Ihrer Antworten klingen, als hätten Sie die Befürchtung, daß der ganze Fall dem Ruf des Islam im Westen schaden könnte.

Der Islam hat nichts mit diesen Menschen zu tun. Wie ich das in Rose El-Yusuf geschrieben habe: „Im Namen des Islam haben sie all die Verbrechen begangen, die durch den Islam verboten sind.“ Sie sind nicht die Vertreter des Islam. Wir müssen klarmachen, daß wir die richtigen Muslime sind. Die Menschen im Westen sollten das verstehen und nicht den Islam mit Terrorismus gleichsetzen.

Es haben sich Unterstützergruppen im Ausland für Ihren Fall gegründet. Was erwarten Sie von ihnen?

Daß sie den Fall am Leben erhalten.

Sie glauben, der Fall könnte in Vergessenheit geraten?

Es ist der erste Fall dieser Art. Wenn sie bei uns durchkommen, ist das Tor zur Hölle geöffnet. Dann gibt es viele weitere Fälle.

Sie lehren europäische Literatur in Ägypten. In einem Interview haben Sie gesagt, daß der ganze Fall absurder ist, als die absurde europäische Literatur es jemals beschreiben könnte. Sie sagten, es sei kafkaesker als Kafka.

Ionesco, Camus oder Beckett sind nichts gegen unseren Fall (lacht). Die müßten eigentlich neidisch auf uns sein. Auf so etwas wären die nie gekommen. Das hebt die ganze absurde Literatur auf. Armer Kafka. Er ist einfach zu früh gestorben.