Abtreibungsrecht und BAföG verabschiedet

■ Bundesländer lehnen aber Jahressteuergesetz ab / Interpretationen der Beratungspflicht bleiben widersprüchlich / Wehr- und Zivilsdienst werden verkürzt

Bonn (dpa) –Der Bundesrat gab gestern in der letzten Sitzung vor der Sommerpause grünes Licht für das lange umstrittene neue Abtreibungsrecht sowie für die Erhöhung der BAföG-Sätze für Schüler und Studenten um vier Prozent von diesem Herbst an. Das umstrittene Jahressteuergesetz 1996 wurde wie erwartet von der Mehrheit der SPD-geführten Länder erneut zurückgewiesen.

Zwei Jahre nach dem Karlsruher Richterspruch, der eine Reform des Abtreibungsrechts verlangte, stimmte der Bundesrat der parteiübergreifend ausgehandelten Kompromißregelung zu, die bereits Ende Juni im Bundestag eine große Mehrheit gefunden hatte. Nach dem neuen Gesetz, das vom 1. Januar 1996 an gilt, bleibt der Abbruch einer Schwangerschaft in den ersten zwölf Wochen zwar „rechtswidrig“ - aber straffrei, sofern sich die Frau mindestens drei Tage vor dem Eingriff einer Beratung unterzogen hat. Bei der Endabstimmung wurden aber die nach wie vor vorhandenen unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten der Beratungsregelug deutlich.

Die Mehrheit der Länder plädierte gleichzeitig dafür, den ab Januar nächsten Jahres gültigen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz durch eine „Fristenregelung“ einzugrenzen. Danach sollen zunächst nur die Dreijährigen einen Rechtsanspruch erhalten, die vor dem 31. Juli des jeweiligen Jahres geboren wurden.

Mit der Zurückweisung des Jahressteuergesetzes mit 22,4 Milliarden Mark Entlastungen machte der Bundesrat den Weg für eine zweite Verhandlungsrunde im Vermittlungsausschuß frei. Die erste Runde war vor einer Woche gescheitert, und der Bundestag hatte am Donnerstag in einer Sondersitzung mit Koalitionsmehrheit den Vermittlungsantrag für mehr Kindergeld und eine neue Finanzverteilung abgelehnt. Die Bundesregierung will am Dienstag den Vermittlungsausschuß erneut anrufen, der seine Beratungen am 31. Juli fortsetzen wird.

Abschließend stimmte der Bundesrat dem Hilfsfonds für die Opfer des Aids-Blut-Skandals der 80er Jahre zu. Personen, die durch Blutprodukte mit dem HIV-Virus infiziert wurden oder an Aids erkrankt sind sowie Angehörige, können jetzt rückwirkend ab 1. Januar 1994 Leistungen erhalten. Zu dem mit 250 Millionen Mark dotierten Fonds tragen Bund und Länder 100 beziehungsweise 50 Millionen Mark bei.

Der Bundesrat faßte auch folgende Beschlüsse: Sexueller Mißbrauch im Zuge einer ärztlichen oder psychiatrischen Therapie soll künftig unter Strafe gestellt werden. Gebilligt wurde eine Verkürzung des Wehrdienstes von zwölf auf zehn Monate ab dem 1. Januar 1996. Gleichzeitig wollen die Länder eine Verringerung des Zivildienstes von 15 auf 13 Monate.