Friedensbürokraten -betr.: "Politische Stille - Über das Morden im Sommerloch", taz vom 14.7.1995

Betr.: dito

Unser altes Demonstrationsmilieu steht außenpolitisch inzwischen einem Bismarck ganz nah, dem der ganze Balkan nicht die Knochen eines einzigen preußischen Grenadiers wert war. Engagement in den absurden Residuen verbohrter Antiwestler besteht dann im reflexhaften Nachvollzug des Gegenteils dessen, was vernünftig wäre: stets zu spät, stets voll daneben. Im Grunde genauso wie die westlichen Regierungen und Regierungsbündnisse.

Zum Umdenken bewegt dieses erzmoralische Granitgestein auch nicht der Anblick des serbischen Oberselektors, dieses Mladic. Wie einst Mengele teilt er die Bewohner einer ganzen Stadt in Nutz- und Opfertiere. Auch ein eiskalter Killer wie Karadzic, dessen kamerabewußte Schergen die gleichen Kinder mit Bonbons füttern, die sie zuvor jahrelang halb verhungern ließen, bewegt unsere Friedensbürokraten nicht zum Protest. Einen Pazifisten aus Prinzip erschüttern nicht vergewaltigte Frauen, nicht der Terror einer entfesselten Soldateska, nicht der blanke Rassismus serbischer Nationalisten. Ihn erschüttert es, wenn ein einziger deutscher Tornado sich im Ausland öffentlich antifaschistisch engagieren könnte. Nichts beweist deutlicher, daß unsere sogenannten Antifaschisten unfähig sind, ihren angeblichen Gegner überhaupt zu erkennen – selbst wenn Tag für Tag von Pale aus die Fahnundgsfotos über den Bildschirm flimmern. Stattdessen ereifern diese Kleingeister sich lieber über das „menschenverachtende Verhalten“ eines Kleinhändlers, der am Sielwall ein Straßenfest veranstaltet. Von diesem „Demonstrationsmilieu“ erwartest du Aktionen?

Nun, es gab einmal die erfolgreiche Aktion „Waffen für El Salvador!“ Warum nicht „Waffen für Bosnien!“? Diskutierenswert auch, wenn auch gedanklich sicher nicht abgeschlossen, statt „Raus aus der NATO!“ die Forderung: „Raus aus der UNO!“ Schließlich ist die UNO noch immer keine demokratische lnstitution, ihre Politik wird von Regierungsgesandten aus größtenteils diktatorischen Ländern bestimmt, sie kostet viel Geld und erreicht nichts. Bei diesem Akashi weiß man nicht, was man mehr bewundern soll, seine Parteilichkeit oder die Lähmung, die er verbreitet. Sollte die taz eine Aktion „Waffen für Bosnien!“ initiieren, liegt ein Scheck bei mir bereit. Klaus Jarchow