Wer kann die Waffen verkaufen? -betr.: "Politische Stille - Über das Morden im Sommerloch", taz vom 14.7.1995

Betr.: „Politische Stille – Über das Morden im Sommerloch“, taz vom 14.7.

Dein Entsetzen über die Stille zum Krieg in Bosnien ist sicherlich verständlich. Aber den Lesern des Bremer Lokalteils der taz zu unterstellen, die Tatenlosigkeit der öffentlichen Meinung hätte ihre Ursache im „falschen Mörder in Bosnien“ und im trägen Sommerloch, läuft weit am Kern des Problems vorbei. Der bundesdeutschen Bevölkerung wären wohl die Serben ebenso liebe Feindbilder wie die Amerikaner im Golfkrieg. Das lähmende Moment der Debatte ist die Frage, welche Interessen dieses Land in Bosnien vertreten und durchsetzen will.

Die derzeitige Politik des UN-Mandats bewirkte eine ständige Entmilitarisierung der Bosnier, während die serbische Kriegsmaschinerie diesbezügliche Verpflichtungen niemals einhielt. Nun könnte man meinen, daß die UNO- Truppen diese Zusagen der Serben endlich militärisch durchsetzen sollten. Und das ist offensichtlich auch die Richtung, in welche die offizielle Politik die öffentliche Meinung drängen möchte.

Unbestreitbar ist aber, daß ortskundige Bosnier erheblich besser in der Lage wären, selbst mit weniger hochgerüsteter Militärtechnologie dieses Ziel durchzusetzen. Vielleicht ist es dabei nicht unwichtig, wessen Kriegsmaterial zum Einsatz kommen soll. Und nachdem die Regierung Kohl durch Ausgrenzung von sozial Schwachen, Abbau von Arbeitnehmerrechten, Einschränkungen von Bildungschancen und Verhinderung umweltschonender Innovationen den „Standort Deutschland“ bereits heruntergewirtschaftet hat, soll die verlorene Stärke nun militärisch demonstriert werden.

Manche Befürworter eines deutschen Einsatzes haben Interessen an Macht und Einfluß auch im UN-Sicherheitsrat und an Bedarfserweckung für deutsche Rüstungsgüter gar nicht bestritten. Diese wurden aber zu Nebenzielen herabgeredet und Andersdenkende mußten sich gedankenlosen Zynismus vorhalten lassen. Während der Diskussion um die Tornado-Einsätze der Bundeswehr in Bosnien sind viele der von Dir beschworenen „großen FriedensaktivistInnen“ auf diese Argumentation eingeschwenkt.

Es gilt zu fragen, wer hier eigentlich – insbesondere wirtschaftlich – Profit zieht. Kurzfristig bleibt die Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien aber das stärkste Druckmittel gegen die serbischen Truppen. Nur würden die Bosnier ihr Kriegsmaterial vielleicht nicht in Deutschland kaufen... Dirk Burchard