Heidelberger unter sich

■ Deutsches Pokalfinale im Rugby: Die RG Heidelberg schlägt den Lokalrivalen SC Neuenheim mit 26:6

Heidelberg (taz) – In die quantitativen Dimensionen des deutschen Spitzen-Fußballs wird das deutsche Spitzen-Rugby nie vordringen. Sahen vor wenigen Wochen mehr als 60.000 Zuschauerinnen und Zuschauer im Berliner Olympiastadion das reizarme Endspiel zwischen Mönchengladbach und Wolfsburg, so begnügten sich Heidelbergs derzeit beste Rugbyteams, die Rudergemeinschaft Heidelberg und der SC Neuenheim, mit 1.500 Leuten. Das Zentrum des Rugby in der Neckarstadt, die als Rugby-Hauptstadt (vorübergehend) Hannover abgelöst hat, liegt unmittelbar neben dem Tiergarten. Wenige Meter von den Bären, Löwen und Elefanten entfernt residieren sie ohne Käfige und Wärter direkt hintereinander: RGH, SCN und der Zweitligist TSV Handschuhsheim, der das Finale ausrichtete.

Rivalität war eine Stunde vor Spielbeginn nicht auszumachen, die Stimmung ähnelte der bei einem mittleren Sportfest. In ihren Biergärten saßen die RGH- und die SCN-Fans und genossen den freien Blick auf die Spiel- und Malfelder. Als die 48 Spieler und Ersatzleute sich warmliefen, blieben jegliche Sprechchöre, Sympathie- und Antipathie-Äußerungen aus. Idyllisches Heidelberger Rugby- Paradies!

Zwei Stunden später war ein eher langweiliges Endspiel zu Ende. Die durch den Ausfall eines ihrer besten Spieler, Jörg Frauenfeld, gehandicapten Neuenheimer kamen nicht ins Spiel und lagen zur Halbzeit mit 6:15 hinten. Als Michel Vusec, Verbindungshalb und Spielmacher des SCN, nach zehn Minuten den 3:3-Ausgleich per Drop-kick erzielt hatte, schöpften viele neutrale Zuschauer Hoffnung auf ein spannendes Spiel. Doch haarsträubende Fehler des SCN verhalfen der RGH zwischen der 18. und 20. Minute zu zwei „Versuchen“ und einer „Erhöhung“: 3:15!

„Wir müssen etwas tun, wir müssen aktiv werden!“ versuchte Neuenheims sportlicher Leiter Ramchandra Aithal von außen noch einmal zu motivieren. Aber der erhoffte „Versuch“ Mitte der zweiten Hälfte blieb aus. SCN-Gedrängehalb Kay Kocher, Schaltstelle zwischen Sturm und Dreiviertelreihe, betrieb Ursachenforschung: „Unser Sturm ist unter seinen Möglichkeiten geblieben, wir haben quasi zugeschaut, wie die RGH verdient gewonnen hat!“ Anfeuerungsversuche wie das aus Degerloch bekannte „Auf, die Blauen!“ oder das derzeit verpönte „Allez les Bleus!“ verpufften schnell. Dafür sorgten die RGH-Junioren für so viel Lärm, daß die Affen im Zoo närrisch wurden. Mit Trommel und Pfeifen ausgestattet, in Oranjehemden und oranje-weiß bemalt, unterstützten sie ihr Team von der 1. bis zur 80. Minute.

Drei Minuten vor dem Schlußpfiff schenkte der SCN seinem übermächtigen Gegner einen letzten Versuch zum 26:6. Die Erhöhung vergaben die Ruderer gnädigerweise. RGH-Gedrängehalb Fritz Ueberle ließ seinen Gefühlen freien Lauf und brüllte mit furchterregender Mimik ein befreiendes „Uaahh!“ in Richtung Ramchandra Aithal.

Alexander Witt, unermüdlicher Trommler, geleitete die siegreiche Mannschaft „nach Hause“ zum RGH-Clubhaus, wo die große Fete begann. Die „Sudpfanne“ in der Altstadt kannte am Samstag abend keine Sperrstunde. Für SCN-Spieler Kay Kocher war schon nach dem Spiel „alles vorbei“. Enttäuscht sei er schon, ja, „aber heute abend gehen wir erst mal kurz zur RGH zum Gratulieren und feiern ein bißchen mit, und danach ziehen wir uns in unser Clubhaus zurück.“ Günter Rohrbacher-List