„Agent Alpha“, Klappe, die Dritte!

■ „Splatterfilme selbermachen“ - Im Medienzentrum Walle wandeln neun Kinder auf Schlingensiefs Spuren und schmieren sich eine Extraportion Ketchup aufs T-Shirt

„Mir wird ein Auge rausgeschlagen“, freut sich Niki. „Na und? Mir wird dafür der Magen durchgeboxt“, hält Björn dagegen. „Und ich werde voll gegen die Wand geschleudert.“ Action auf der Leinwand darzustellen ist zwar ein Höllenspaß - aber gar nicht so einfach. Das erfuhren vergangene Woche neun Kids zwischen neun und zwölf beim Ferien-Projekt „Splatter- und Horrorfilme selbermachen“ der Medienwerkstatt Walle.

Wer Filme dreht, sieht auch Filme ganz anders. Entwarnung also für alle Eltern, denen der Gedanke Kopfschmerzen bereitet hatte, die Landesbildstelle fördere die Erstellung blutiger Splatter-Filme, die im Gegensatz zum Horrorschinken bei keinem grausigen Detail ausblenden. Um Blut und Gewalt ging es bestenfalls nebenbei. „Das Motto ist der Aufhänger, damit sich die Kinder überhaupt für so,was interessieren“, erklärt Projektleiter und Regisseur Helge Peters. Selbst kommt der Kurzfilmer nicht aus der Splatter-Ecke. Berührungsängste aber hat er keine. „Diese Sachen sind nun einmal da und beschäftigen die Kinder. Da nützt es uns nichts, daß wir irgendwas verbieten. Weg also von verschnarcht-distanzierter Erwachsenen-Pädagogik, die von vornherein Themen ausschließt. Helge: „Für uns ist wichtig, daß die Kinder ihre Kreativität hier ausleben können. Wir helfen nur bei der Umsetzung.“

„Auf Zukunft folgt Vergangenheit“ heißt der Kurzfilm. Zwei Gruppen, die „Fortschrittlichen“ unter der Führung von Bossin Ellinor, 9, die „Traditionellen“ von Chef Robert, 12, bekämpfen sich mit harten Bandagen. Statt Splatter wurde es ein harter Thriller voller Action - aber auch voller ironischer Distanz. Kleine Agentenscharmützel steigern sich zu immer größeren, absurderen Kampfszenen; nach deren blutigenm Finale keiner mehr lebt. „Die Kinder bestimmen die Story“, erklärt Helge. „Da weiß man eben nie vorher, was dabei rauskommt.“

Neben dem Geschichtenausdenken lernen die Kids vor allem, wie Filme entstehen. Wunden werden geschminkt, Effekte ausgedacht. Wie viel Arbeit in einer Szene steckt, wird erst am Schnittpult des Schülerstudios Null Satt klar, als Helge die Kids an die Regler läßt. Stück für Stück entsteht aus dem Rohmaterial ein richtiger Streifen - mit allen Schikanen, Agentenmusik inklusive. Ein Aha-Erlebnis nicht nur für Robert, 11 :„Ich dachte immer, daß ein Film an einem Tag runtergefilmt wird. Die dauern doch nur anderthalb Stunden.“ Beim Schneiden wird auch klar, daß die Kurzen schon eine ganze Menge gelernt haben. Kess pfeift Marvin, 11, Regisseur Helge zurück. „Das sieht doof aus, der rennt auf einmal so hektisch.“ Recht hat er, also wird weiter an Agent Alpha, die Dritte, gebastelt.

„Vieleicht finden Leute gewaltverherrlichend, was wir machen,“ sagt Projektleiter Helge. „Aber dadurch, daß wir zeigen, wie sowas entsteht, sieht man, wie billig vieles eigentlich ist.“ Jemand, der hinter die Kulissen geblickt hat, läßt sich nicht mehr so schnell verschaukeln.

Und nicht nur mediale Kompetenz wird vermittelt - Teamwork steht auf dem heimlichen Lehrplan. Alle sind beim Film wichtig, nicht nur die Hauptrolle. Kameramann Michael, 11, steht genauso hinter dem Projekt, obwohl er erst am Ende kurz als Kadaver zu sehen ist.

Vor allem aber macht die Entmystifizierung der Leinwand einen Riesenspaß. Die Kids lieben es, mit Pumpguns und und Agentenpistolen Marke „James Bond“ durch die Tiefgarage zu turnen. Und sie fiebern darauf, nachher den Film im großen Kinosaal anzusehen. Im Laufschritt findet sich die johlende Schar nach der von Helge regelrecht erzwungenen Pause wieder im Schnittraum zum Weitertüfteln ein. Daß eine Woche Arbeit für vieleicht zehn Minuten Gesamtwerk lohnt, steht für die Nachwuchs-Spielbergs jetzt schon fest. „Ich finde, der Film ist echt gut“, meint Björn. Und Michael weiß auch, warum: „Klar, der ist ja auch von uns.“ Da verschmerzt man gern, daß der darstellerische Übereifer auch seine Schattenseiten hat. Gegen die Wand geschleudert werden, so fand Björn nämlich heraus, ist gar nicht so einfach. „Da hab' ich mir dreimal voll wehgetan.“

Lars Reppesgaard