Besuch im Rattenkeller der Polizei

■ Innensenator Borttscheller auf Antrittsreise durch Bremens vergammelte Reviere

Den Höhepunkt hatte sich Revierleiter Norbert vom Endt für den Schluß aufgespart. Am Ende ihres Antrittsbesuchs in der Waller Polizeiwache wurden Innensenator Ralf Borttscheller und sein Staatsrat Hans-Georg von Bock und Polach gestern in den Keller geführt. Drei Arrestzellen waren dort zu besichtigen, jede gerade mal drei Quadratmeter groß. Fast vollständig ausgefüllt sind sie von schrägen Holzpritschen, Licht und Luft dringen nur durch eine Maueröffnung von der Größe eines mittleren Topfdeckels direkt unter der niedrigen Decke. „Jetzt ist die Luft ja ganz anständig“, meinte vom Endt im stickigen Gewölbe, „aber stellen Sie sich das mal in einer Nacht mit voller Belegung vor.“ Immerhin landet jede im Bremer Westen aufgelesene Schnapsleiche in einem der drei Verliese.

Schon vor vier Jahren hatte sich der nicht gerade für besondere Zimperlichkeit bekannte Bremer Polizeiarzt schriftlich über den Zustand der Waller Zellen empört; „menschenunwürdig“ seien die. „Aber letztes Jahr kam es noch schlimmer“, ergänzte gestern Revierleiter vom Endt, „da hatten wir hier Rattenbefall“. Und das nicht nur in den finsteren Zellen. „Auch hier im Bad mußte man beim Duschen die Rattten immer mit einem Fuß wieder in den Gully zurückschieben“, wußte vom Endt nebenan im Waschraum zu berichten. Gelöst sei das Problem bis heute nicht, nur etwas zugedeckt: „Der Gully wurde einzementiert, den kriegen die Ratten jetzt nicht mehr hoch.“

Der frischgebackene Senator zeigte sich von der Vorführung im Keller wenig beeindruckt: „Optisch ist das hier doch noch toll“, meinte er angesichts der einigermaßen frischen Farbe an den Wänden. Und was die Zustände an den Arbeitsplätzen Bremer Polizisten angehe, da stehe es in anderen Revieren „noch viel schlimmer“, soviel sei ihm am sechsten Tag seiner Antritts-Rundreise klar. Daran ändere auch nichts, daß es für die immer häufiger eingestellten Polizistinnen im Waller Revier einen Umkleideraum gibt, der zuvor als Abstellkammer für Putzutensilien gerade mal groß genug war. In den meisten Revieren können Polizistinnen schließlich überhaupt nicht beschäftigt werden, denn da fehlt es schon an der Damentoilette.

Doch Ralf Borttscheller weiß, wie man Polizisten beruhigt. „Mit Rot-grün wäre Ihr Revier teilgeschlossen werden“, erklärte er gestern im gut gefüllten Sitzungszimmer des Reviers. Rot-schwarz dagegen habe die Polizei als einzigen Bereich ausdrücklich von Einsparungen ausgenommen. „Bei Bildung und Soziales wird es vier Jahre lang Heulen und Zähneklappern geben“, versicherte Borttscheller und die Beamten verstanden: Was sind dagegen schon Ihre tropfenden Wände und klappernden Nachkriegs-Schreibmaschinen.

15.000 Unterschriften hatten die Polizisten im Bremer Westen in den vergangenen Wochen für den Erhalt ihrer reichlich vergammelten Reviere gesammelt. Doch die Übergabe an den neuen Senator kam gestern zu spät. „Mit dem Koalitionsvertrag ist der Bestand Ihres Reviers bis 1999 gesichert“, erklärte Borttscheller, „und zwar unabhängig davon, ob ich persönlich die vier Jahre politisch überlebe“. Dafür sei ein Innensenator schließlich manchmal „auf glückliche Umstände angewiesen“, meinte er mit Blick auf Bernd Meyers Rücktritt nach dem mißratenen Polizeieinsatz beim Bremer Geiseldrama.

Und auch die Polizei selber könnte ihrem Senator den Job versauen. „Machen Sie es mir nicht schwerer, als es ohnehin ist“, beschwor Borttscheller die Waller Beamten, „Hamburger Zustände können wir uns hier nicht leisten“. Bisher allerdings habe er in diesem Sinn an der Bremer Polizei nichts zu bemängeln. Im Gegenteil: „Bei der Diskussion um das Brommyplatz-Revier hat es mich sehr geärgert, daß der Senat keine schützende Hand über die von den Vorwürfen betroffenen Beamten gehalten hat.“ Schließlich habe das Antirassismus-Büro seine „gezielt gesteuerte Kampagne“ doch nur gemacht, „um die Beamten einzuschüchtern“.

Dieser Ton gefiel im Waller Revier. „Wir sind doch die Kollegen, die immer an der Front sind“, meinte ein Streifenpolizist, „wir nehmen in der Nacht die Leute fest und die mimosenhafte Bremer Justiz läßt sie am nächsten Morgen wieder laufen.“ Dirk Asendorpf