Von den Nazis ermordet und später vergessen

■ Ausstellung über Widerstand und Verfolgung von Frauen im Dritten Reich

„Es ist aus. Heute, wenn es dunkel geworden sein wird, lebt deine Lanka nicht mehr ... Ich bin ruhig und gefaßt, und ich fürchte mich nicht vor dem Tode.“ Es sind nach monatelanger Tortur die letzten Zeilen von Liane Berkowitz aus der Todeszelle an ihre geliebte Mutter. Alles Hoffen auf eine Begnadigung seit der Verhaftung durch die Gestapo am 26. September 1942 war vergebens gewesen.

Gemeinsam mit Freunden aus der Harnack/Schulze-Boysen-Organisation („Rote Kapelle“) hatte die 19jährige Zettel gegen die antisowjetische Hetzausstellung „Das Sowjetparadies“ geklebt. In der Haft bringt sie ein Mädchen zur Welt und erlebt die Hinrichtung ihres Verlobten. Am 5. August 1943, um 19.45 Uhr, stirbt Liane Berkowitz unterm Fallbeil im Strafgefängnis Plötzensee.

Wer kennt sie schon? Oder Johanna Kirchner, Liselotte Herrmann, Cato Bontjes van Beek, Mildrid Harnack, Libertas Schulze- Boysen, Johanna Sols? Sie halfen Flüchtlingen, verbreiteten Flugblätter, übernahmen Kurierdienste und gaben Teegesellschaften für Hitler-Gegner. Die evangelische Pädogogin und Erzieherin Elisabeth von Thadden half Juden bei der Flucht ins Ausland. „Wir wollten barmherzige Samariter sein“, schreibt sie aus der KZ-Haft und vor der Vollstreckung des Todesurteils am 8. September 1944.

Selbst wenn das Gedenken am 20. Juli auch in diesem Jahr zu allererst den gescheiterten und hingerichteten Hitler-Attentätern um Claus Schenk Graf von Stauffenberg gilt, soll es auch die vielen anderen „unbesungenen Helden“ wie die Frauen im Widerstand aus der Anonymität reißen. So will die Gedenkstätte Deutscher Widerstand einen Tag vor den obligatorischen Kranzniederlegungen die erste wissenschaftliche Untersuchung über Opposition und Verfolgung von Frauen im Nationalsozialismus vorstellen.

Ferner wird in der über 5.000 Fotos und Dokumente umfassenden Ausstellung im Bendlerblock fortan Maria Grimmes Gemälde „Frauen der Roten Kapelle“ an Leid und Qual der zum Tode Verurteilten erinnern. Eine Frau hält auch die Gedenkansprache auf der zentralen Feier: die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach.

Der 51. Jahrestag des Hitler-Attentats ist zu krumm, als daß sich ein ähnlicher Aufruhr um das Thema Widerstand hätte erheben können wie noch im vergangenen Jahr: kein Streit darüber, wer die Hauptrede hält; keine Schlagzeilen zum Dauerzwist, ob nun die kommunistischen NS-Gegner im Exil in die Ausstellung an der Stauffenbergstraße gehören oder nicht. Ja, es sei wieder ruhig geworden, atmet Gedenkstättenleiter Johannes Tuchel erleichert auf. Walter Ulbricht, Wilhelm Pieck und das umstrittene Nationalkomitee Freies Deutschland, das von sowjetischem Boden Hitlers Sturz betrieb, sind weiter in Wort und Bild zu studieren. Am Konzept der Ausstellung, prinzipiell alle Widerstandsformen gegen den Nationalsozialismus zu präsentieren, hat sich nichts geändert. Zwar habe die medienträchtige Diskussion dem Thema einen kräftigen Schub gegeben, andererseits sei sie jedoch eine „ganz, ganz merkwürdige Verkürzung“ gewesen, meint Tuchel. Ronald Bahlburg/dpa