Schnäppchen für Freunde

■ Von Hamburg nichts gelernt: Der Berliner Senat plant, das Schiller Theater in den nächsten acht Jahren für 660 Mark monatlich an Musicalproduzenten zu vermieten

Da wollte der Berliner Kultursenator Ulrich Roloff- Momin sicher kurz vor Ende seiner Amtszeit noch alle Altlasten abarbeiten, und jetzt gibt's schon wieder einen Skandal. Als er vor zwei Jahren verkündete, daß das Schiller Theater, das ehemalige Staatstheater West, privatisiert werden müsse, schmähte ihn die gesamte Theatersubventionsempfängerschaft.

Jetzt, da er mit Peter Schwenkow und der Stella Musical AG die neuen Mieter präsentiert hat, rücken ihm die Privattheaterbetreiber Berlins massiv auf den Pelz. Und das mit Recht.

Friedrich Kurz, der das Musicaltheater Berlin (ehemals Freie Volksbühne) leitet, und Wolfgang Bocksch, der nach Gastproduktionen im Theater des Westens oder im Metropol-Theater derzeit das Schiller Theater interimistisch mit Broadway-Musicals bestückt, werfen dem Senator eine Ausschaltung der Konkurrenz vor, und auch der Direktor der beiden Boulevardbühnen am Kurfürstendamm, Jürgen Wölffer, sieht in dem geplanten Schiller-Theater-Vertrag einen „skandalösen Eingriff in den freien Wettbewerb“.

Anlaß für die Empörung ist zunächst, daß trotz mehrerer Bewerbungen einzig und allein mit Peter Schwenkow verhandelt wurde, der vom Senat äußerst geschätzte Chef eines flächendeckenden Berliner Kommerzkulturnetzes. Seine Konzertagentur Concert Concept ist die drittgrößte Deutschlands, er hat die Waldbühne gepachtet, betreibt neben ähnlichen Häusern in Stuttgart, Halle und Wien das Varieté „Wintergarten“, und erst vor vier Monaten ging sein Privatradiosender jfk auf Sendung. Beim Start des Easy-listening-Funks drückte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen gemeinsam mit seinem CDU-Parteifreund Schwenkow auf den roten Knopf, und der parteilose Kultursenator erhielt den Auftrag, über das Schiller Theater zuerst mit Schwenkow zu verhandeln. Der 41jährige Multimillionär Schwenkow, der im Schiller Theater historisierende Berlin-Musicals zeigen will, hat sich mit der Stella Musical AG („Cats“, „Phantom der Oper“, „Miss Saigon“) zusammengetan, der überaus erfolgreichen Tochtergesellschaft der Rolf-Deyhle- Holding, die auch plant, auf dem Potsdamer Platz ein Riesenmusicalhaus zu errichten.

Mit solchen Partnern müßten sich genau jene vorteilhaften Geschäfte machen lassen, die dem finanzkrisengeschüttelten Berliner Senat gut anstünden und wegen denen das Schiller Theater als Schauspielhaus ja schließlich auch aufgegeben wurde. Aber Schwenkow und der Stella AG wird das Haus quasi zu Freundschaftsbedingungen überlassen: Für die Bürofläche mag der Senat nur eine Quadratmetermiete von etwa 23 Mark nehmen, die Theaterräume sind überhaupt kostenlos. Von der Jahresmiete in Höhe von 408.000 Mark werden in den ersten acht Jahren auch noch 400.000 Mark Kapitalbeschaffungskosten pro Jahr abgezogen: Die Zinsen für die vereinbarte Investitionssumme (fünf Millionen Mark) selbst zu tragen, wie andere Unternehmen das sicher getan hätten, kann Schwenkow und der Stella AG offenbar nicht zugemutet werden.

Zwar trägt Schwenkow auch die Betriebskosten der angrenzenden Werkstattbühne, die von den Berliner Kindertheatern genutzt wird, und stellt die Bühnenwerkstatt des Schiller Theaters drei Ost-Berliner Subventionstheatern zur Verfügung, die derzeit in restitutionspflichtigen Gebäuden arbeiten lassen. Aber das sind wohl kaum adäquate Gründe dafür, ihm ein Renommierhaus in bester Lage acht Jahre lang für monatlich 660 Mark zu vermieten. Den Investitionsnachweis übrigens muß Schwenkow erst nach Ablauf der ersten zehn Jahre, im Jahr 2006, erbringen, und sollte er nicht investiert haben, kann der Senat gar nichts machen. Nicht mal rausschmeißen könnte man ihn dann, da der Mieter Schwenkow eine Option auf zwei mal fünf weitere Jahre hat.

Derlei günstige Startbedingungen würde die Stadt Hamburg sicher keinem Musicalproduzenten mehr geben, schon gar nicht einem Profi wie Deyhle. Als dessen Stella AG nämlich vor zehn Jahren das Hamburger Operettenhaus übernahm, um „Cats“ zu zeigen, rechnete in Deutschland noch niemand damit, daß solche Großmusicals jahrzehntelange Publikumsmagneten werden und sich quasi aus der Portokasse tragen würden.

Daher überließ der Hamburger Senat der Stella AG das Haus damals dauerhaft für eine symbolische Miete von einer Mark und beschloß, 300.000 bis 400.000 Mark Betriebskosten jährlich zuzuschießen. Diese Vereinbarung gilt noch immer. Jetzt gibt es zwar eifrige Bestrebungen, das Operettenhaus an die Stella AG zu verkaufen, aber diese sagt verständlicherweise, sie sehe „keinen Bedarf darin, sich in unnötige Kapitalkosten zu stürzen“. Lieber investiert der Konzern vermutlich in neue Projekte – etwa in Berlin.

Friedrich Kurz, Ex-Partner von Deyhle in Hamburg und nicht allzu erfolgreich in Berlin, ist sauer, hat aber keine Handhabe. Seine eigene Bewerbung fürs Schiller Theater reichte er zu spät ein. Wolfgang Bocksch indessen hatte sich fristgemäß beworben, mit einem für Berlin wesentlich lukrativeren Angebot als Schwenkow, wie er sagt. Jetzt appelliert er an den Senat, das bei einer öffentlichen Ausschreibung unrechtmäßig Vorgehen, mit nur einem Bewerber zu verhandeln, zu überdenken. Wird der Vertrag mit Schwenkow dennoch abgesegnet, bleibt Bocksch nur noch der Weg zum Gericht. Petra Kohse