Jeder Kompromiß gilt als Verlust an Souveränität

■ Britische Regierungen wollen auf ihrer Insel bleiben, auch Labour hat Europafeinde

Britische Minister und Diplomaten sehen in der geplanten Regierungskonferenz nicht mehr als einen „Fünftausend-Kilometer- Check“. Mit anderen Worten, eine Routine-Inspektion der bestehenden Verträge. Wohlwissend, daß man sich damit den Realitäten verschließt, besteht London darauf, daß auf der Regierungskonferenz keinerlei Themen entschieden werden, die Auswirkungen auf die Verfassung haben. Für diesen defensiven Standpunkt ist der Streit innerhalb der konservativen Partei verantwortlich, der auch nach Majors Wiederwahl als Parteichef nicht ausgestanden ist.

John Major weist die Vorstellungen Helmut Kohls für eine gründliche Strukturreform der EU deshalb zurück, weil die Europafeinde bei den Torys jeden Kompromiß als einen Verlust an Souveränität betrachten. Die Insulaner haben nach wie vor wenig Verständnis für die hohe Kunst des Kompromisses, die für alle Ebenen europäischer Politik typisch ist.

John Major wird alles zu blockieren versuchen, was darauf hinausläuft, neben der Wirtschaftspolitik auch Teile der Innen- und Außenpolitik nach Brüssel zu verlagern. Ebenso lehnt er jeden Machtzuwachs des Europäischen Parlaments ab. Eine Bedrohung britischer Souveränität sieht John Major auch in dem Vorschlag, ein Entscheidungsverfahren einzuführen, bei dem nicht mehr ein oder zwei Länder alles blockieren können. Er fürchtet, daß Großbritannien dann regelmäßig überstimmt wird. Aber gleichzeitig fordert London energisch die Ausweitung der EU nach Osten, die ohne eine Änderung der Abstimmungsregeln undenkbar ist.

Wenn allerdings die Regierungskonferenz nach den britischen Wahlen zu Ende geht, kann es gut sein, daß Labour-Chef Tony Blair, der zur Zeit in allen Umfragen führt, an der Spitze der britischen Verhandlungsdelegation stehen wird. Doch wie anders würde Labour herangehen? Auch die britischen Sozialisten sind über Europa gespalten, auch wenn das hinter dem öffentlich ausgetragenen Europastreit der Tories nicht so auffällt. Der Spalt geht quer durch die Partei und durch das Schattenkabinett und trennt auch Labour-Abgeordnete in Straßburg von denen in London. Die Unterschiede gehen bei Labour nicht an die Grundfesten der Partei wie bei den Konservativen. Aber heikle Themen, wie die Strukturreform, die Währungsunion, eine gemeinsame Verteidigungspolitik, die Aufhebung der Grenzkontrollen und das Recht auf ein Veto sind auch bei Labour noch umstritten. Tony Blair vertrat bei seiner Grundsatzrede in Brüssel ganz entschieden eine gemeinsame Sicherheitspolitik. Sein außenpolitischer Sprecher Robin Cook erklärt dagegen weiterhin, daß die Kontrolle der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik wichtigster Ausdruck der nationalen Identität sei.

Probleme auch bei der Wirtschafts- und Währungsunion: Viele Minister des Schattenkabinetts sind dagegen, weil sie glauben, die strengen Aufnahmekriterien könnten daheim eine wirksame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit verhindern. Daher kommt auch die ziemlich neue Ansicht, die Zustimmung für eine gemeinsame Währung von den Arbeitslosenzahlen abhängig zu machen. Man sollte lieber nicht davon ausgehen, daß eine Labour-Regierung automatisch einer Währungsunion ab 1999 zustimmt. Chris McLaughlin

Europa-Korrespondent für „The Scotsman“