Das Portrait: Bewußter Renegat
■ Stephen Spender
„Vertrat zweitweilig progressive Gedanken... näherte sich angesichts der Erfolge der Faschisten anfangs der dreißiger Jahre der Kommunistischen Partei an... schuf ein antifaschistisches Versdrama (,Trial of a Judge‘, 1938)... danach wurde S. Renegat.“
So holterdiepolter erzählt das vergilbte sozialistische „Lexikon der Weltliteratur“ die Geschichte des Dichters Sir Stephen Spender. Mit seinem „Renegatentum“ hatte es so angefangen: Stephen Spender, von dem englischen KP-Führer Harry Pollitt zum Beitritt in die Partei bewegt, hatte die Frechheit besessen, im Parteiorgan Daily Worker die Moskauer Schauprozesse anzugreifen.
Stephen Spender, der am Sonntag im Alter von 86 Jahren in einem Londoner Krankenhaus gestorben ist, war der letzte große Schriftsteller der Vorkriegsgeneration, jener Generation also, für die die Politik wie für keine zuvor zum Schicksal wurde. Seine engagierten Gedichte waren repräsentativ für das politisch bewußte, linke „new writing“ dieser Zeit. Er war befreundet mit Christopher Isherwood und Wystan Hugh Auden, die er während seines Studiums am University College in Oxford kennenlernte. Wie diese beiden war er von Deutschland angezogen, wo er in den Dreißigern mehrere Jahre verbrachte – in Hamburg, Weimar, vor allem aber in Berlin. Isherwood hat aus den gemeinsam dort verbrachten wilden Tagen sein erfolgreichstes Buch destilliert: „Leb wohl, Berlin“ – bekannt durch das Musical „Cabaret“, dem es als Grundlage diente.
Stephen Spender Foto: AP
Spenders literarische Produktion war zunächst stark von Rainer Maria Rilke, den er auch ins Englische übertrug, und Federico Garcia Lorca beeinflußt. Er nahm als Berichterstatter am Spanischen Bürgerkrieg teil und gab „Poems for Spain“ (1937) heraus.
Nach der Kompromittierung der KP-Linken verlegte sich Spender literarisch stärker auf autobiographische Themen und auf die Rekonstruktion des europäisch-humanistischen Denkens nach der politischen und geistigen Katastrophe, die er aus nächster Nähe beobachtet hatte. Auch im Kalten Krieg scheute er die Parteinahme nicht – diesmal auf der Gegenseite: Er gründete zusammen mit Irving Kristol das bald schon einflußreichste Magazin der antikommunistischen Intelligenz – Encounter.
Aber Spender war zeitlebens ein unabhängiger Kopf, der sich vor keinen Karren spannen ließ. Als 1967 ruchbar wurde, daß Encounter vom CIA Geld bekam, nahm er seinen Hut. Jörg Lau
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