Sanssouci
: Vorschlag

■ Der Hackenporsche, ein Fickelscherer-Comic über lästige Omas

Fickelscherers Omas sitzen im trüben Kegel ihrer Hängelampen und warten traurig auf das Ende. In der Ecke hängen nicht mehr benötigte o.b.s am Osterstrauch. Nur selten rotten sie sich zusammen und holen zum Gegenschlag aus. Sie haben nichts zu verlieren unter ihren sackartigen Gewändern. Irgendwann kippen sie dann blutspuckend aus dem „Bonanza“-Automaten für Gnadenschüsse. Nicht einmal die Sanitäter wollen die gammligen Leichen wegfahren. In seinem neuen Werk „Hackenporsche“ erreicht Holger Fickelscherer, der Finstere aus dem Osten, einen neuen Höhepunkt des meisterhaften Zynismus. Fickelscherer, der zu Wendezeiten die Ost-Berliner Zeichnergruppe „PGH Glühende Zukunft“ mitbegründete, hatte nie etwas übrig für Witzbildchen und heitere Abenteuer knuddeliger Tier-Menschen. In seiner rüden Auseinandersetzung mit Tod, Seniorensex und dem Verfall der Körper verabschiedet er sich endgültig von den romantischen Matrosen und Holzfällern der Anfangszeit.

Nirgends ist Schwarz schwärzer, nirgends Weiß weißer. Flächig und steif stecken die Gestalten in den minimalistisch möblierten Bildräumen fest, die Bewegungen zur Verrenkung erstarrt. Ihr banales Schicksal hat sie am Bein gepackt. Alle Ausgänge sind versperrt. So heimatlos und ungelenk wie seine Helden ist auch deren Sprache: „Kittel weg, Oma weg. Idiot! – Kacke.“ steht da irgendwo in den Bildern oder „Polizeifunk Klauoma!“ Fickelscherer zieht die Schraube der Reduktion und der Abstraktion immer weiter an, bis seine unterkühlten Welten in Form, Ornament und wilde Perspektiven zerfallen. Die skurrilen Dramen hören auf, bevor sie angefangen haben. Nicht die nette Pointe interessiert ihn, sondern Tragik, Gewalt und Ironie der Gesten. Süchtig nach Formen, Mustern und „Designs“ spielt Fickelscherer immer mit schon Gestaltetem: mit den Perspektiven, Ausschnitten und Accessoires der Schwarzen Serie, mit der DDR-Ästhetik aus blumengemusterten Kopftüchern und karierten Kittelschürzen, mit Grafik und Typographie der Werbung, mit Kubismus, Dada und Bauernmalerei. Bis von den Tragödien nur noch Schatten, Linien und Ornamente bleiben. Jörg Häntzschel

Holger Fickelscherer: „Hackenporsche“, 9,95 DM; Jochen Enterprises, Zossener Straße 20, Kreuzberg.