■ Cash & Crash
: Änderungen an der Yen-Front

Tokio (taz) – Wenn sich der wirtschaftliche Horizont verdüstert und Amerika und Deutschland langsam auf eine Rezession zusteuern, bedarf die öffentliche Meinung im Westen eines Sündenbocks: Japan ist dann immer ein bequemer Schuldiger. In diesem Sommer aber schien das Kalkül tatsächlich aufzugehen: Japans Börse fiel, der hohe Yen- Kurs drückte die japanische Wirtschaft erneut in die Rezession, und der Tokioter Regierung fielen diesmal keine rechtzeitigen Gegenmaßnahmen ein. So wurde Japan vom Londoner Economist kurzerhand zum derzeit „größten Risiko für die Weltwirtschaft“ erklärt.

Das machte Sinn, weil Japans Banken immer noch von den faulen Krediten aus den Spekulationsjahren geplagt werden und das japanische Bankensystem spätestens dann in Gefahr gerät, wenn die Börse so tief fällt, daß die Finanzhäuser keine Gewinne aus ihrem großen Aktienbesitz einfahren. Genau diese Situation aber war eingetreten, als der Tokioter Nikkei-Index zu Monatsbeginn unter die 15.000-Punkte- Marke gefallen war.

Die Lage sah so düster aus, daß diesmal nicht nur im Westen, sondern auch in Japan die Katastrophen-Seher zahlreich waren. Der Frust nährte sich aus der Erkenntnis, daß Japan vor genau drei Jahren bereits vor den gleichen Problemen stand: Börsenbaisse, Rezession und politische Untätigkeit machten im Sommer 1992 die schlimmsten Vorhersagen möglich. Dann aber erlebte Japan eine unerwartete politische Wende, und mit dem Ende der liberaldemokratischen Alleinherrschaft schienen Reformen plötzlich möglich.

Nach drei Jahren aber hatte sich der Schuldenberg der japanischen Banken real sogar noch vergrößert: Experten beziffern die Summe fauler Kredite heute auf bis zu 1.400 Milliarden Mark. Kein Wunder also, wenn sich manche erneut vor der Kapitalflucht japanischer Anleger aus den internationalen Finanzmärkten fürchten.

Trotzdem dürften die Pessimisten auch diesmal unrecht behalten: Ihre Annahmen beruhen schließlich auf einer liberalen Marktlogik, der die japanische Wirtschafts- und Finanzpolitik noch nie gefolgt ist. Die gibt denn auch in diesem Jahr die Parole des Durchwurschteln aus – mit ersten Aussichten auf Erfolg. Denn inzwischen vermelden die Währungsexperten aus New York, daß der Höhenflug des Yens gestoppt ist. Der Dollar könne bis Jahresende sogar 15 Prozent gegenüber dem Yen aufholen. Der Nikkei-Index gibt diesen Prognosen bereits recht: Er hat mit über 16.000 Punkten ein für die Banken ungefährliches Terrain erreicht. Georg Blume