Erneuter Etikettenschwindel Berlusconis?

■ Die Medienmogule Kirch und Rupert werden bei Berlusconis Fernsehsendern einsteigen, die Kontrolle aber gibt der Ex-und-in-spe-Ministerpräsident nicht ab

Rom (taz) – Unterschriftsreif, so heißt es, liegen die Verträge auf dem Tisch: Ein Konsortium, zu dem neben Leo Kirch auch der Südafrikaner Johann Rupert und der saudische Prinz al-Walid gehören, soll an die 1,5 Milliarden Mark bereitgestellt haben, um Anteile am Mediaset-Konzern zu kaufen, in dem Berlusconis Fininvest dessen TV-Sender zusammengefaßt hat.

Gestern sickerte noch durch, der US-Konzern Viacom („MTV“) sei ebenfalls mit von der Partie. Darüber hinaus soll ein Bankenkonsortium Anteilsscheine für Berlusconis Gesamtholding Fininvest auf dem Aktienmarkt plazieren, die in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden soll. Doch damit dürfte sich an Berlusconis Dominanz im Mediensektor nichts ändern. Zwar schließt al-Walid an die 750 Millionen Mark ein, Kirch und Rupert sollen, so heißt es, den Rest zu gleichen Teilen aufbringen. Doch geht es hier gar nicht um den Verkauf des bisherigen Kapitals, sondern um eine Kapitalerhöhung. Zudem hat Berlusconi den jetzigen Wert der Mediaset ausgesprochen hoch angesetzt – auf vier bis 4,5 Milliarden Mark. Und damit wären die in Aussicht genommenen zweimal 1,5 Milliarden Geldzufluß (für Mediaset bzw. Fininvest) dann nur 40 bis 45 Prozent wert. Die Verfügungsmacht bliebe nach dem Aktienrecht allein bei Berlusconi. Ob er dadurch aus aus dem Schneider ist, bleibt ungewiß. Lösen könnte er damit allenfalls eines seiner Probleme – die hohe Verschuldung (fast 3,5 Milliarden Mark). Und auch nur dann, wenn die Fininvestanteile an der Börse wirklich die angepeilten 1,5 Milliarden Mark erbringen. Schwierigkeiten hat er in jedem Fall bei der Antitrustbehörde zu erwarten: Sie möchte gern wissen, ob hier nicht nur Bäumchen-wechsle-dich gespielt wird.

Leo Kirch nämlich wird, um sein Geld einzuschließen, seinerseits an Rupert ein Anteilspaket am Pay- Sender Telepiú abgeben – bei dem Berlusconi ebenfalls Teilhaber ist. Da Berlusconi von Rupert aber nur zum Teil Geld, im übrigen aber Anteile an dessen Firmen bekommt, würde sich sein Anteil an Telepiú noch einmal erhöhen. Und den hält die Staatsanwaltschaft schon heute für gesetzwidrig.

Rätselraten löst überdies die Frage aus, wieso sich Kirch auf ein Unternehmen einläßt, bei dem er für sein Geld angesichts der Überbewertung der Berlusconi-Firmen nur wenig Anteile bekommt. Das Nachrichtenmagazin L'Espresso unterstellt denn auch eher einen Freundschaftsdienst im Zuge gegenseitiger Hilfestellung von Tycoons, denn eine wirkliche Transaktion. Werner Raith

Kommentar Seite 10