Bausparen oder Citroän fahren?

■ Neu im Kino: Maris Pfeiffers leicht verschobene Dreiecksgeschichte „Küß mich!“/ Läuft ab heute im Europa und City

Es kommt nicht alle Tage vor, daß sich – bei rapide steigenden Produktionskosten – ein Film, eine ziemlich heitere Sommerware zumal, so viel Zeit für die Bilder nimmt. Deshalb ein ausdrückliches Lob an die französische Kamerafrau Sophie Maintigneux, die zwischen Deutschland und Frankreich pendelt, um mal mit Rohmer („Das grüne Leuchten“), Godard („King Lear“) und Anne-Marie Mieville zu drehen, mal mit Rudolf Thome, Jan Schütte („Winkelmanns Reisen“) und Michael Klier („Ostkreuz“). Herausgekommen sind Blicke auf Berlin, in denen die Stadt sich wiedererkennen könnte und vor allem die Figuren. Denn was etwa bei Kieslowskis „Drei Farben“-Trilogie oft gewollt wirkt, löst Sophie Maintigneux' Kamera scheinbar mühelos: Stimmungen und Charaktere zu unterstreichen.

Letztere, zumindest die männlichen, wirken in Maris Pfeiffers Dreiecksgeschichte oft reichlich farblos. Zwischen zwei Männern muß Paula (Caroline Redl), 30, Journalismus-Studentin im gehobenen Semester, sich entscheiden. Dabei war ihr Leben eigentlich bis auf weiteres vorgezeichnet. Daß Paula den blassen Michael (Kai Scheve), der für ein sorgenfreies Dasein auf Wüstenrot-Basis bürgt, heiraten würde — keine Frage. Michael kümmert sich ja auch um sie, ist voller Verständnis und schreckt auch vorm Abwaschen nicht zurück. Daran muß es wohl liegen. Denn Fabian (Tobias Langhoff) sich beim Spülen vorzustellen – ausgeschlossen. Der Mann sitzt in seinem alten Citroän DS, fühlt sich in einer abgetragenen Weste am wohlsten und läßt das Leben einfach kommen. Kein Zweifel, Fabian muß im Off-Theatermilieu arbeiten. So weit, so viel Klischee. Wie es der Drehbuch-Zufall will, treffen sich die beiden bei Paula zum Essen – und die emotionalen Wirren nehmen ihren Lauf.

Nun sind Michael und Fabian in Maris Pfeiffers Film eher Katalysatoren, sie dienen dazu, Paula auf den rechten Weg zu bringen. Nämlich sich zu entscheiden zwischen Kinder, Küche, Kirche und einem ausfüllendem Job als Journalistin. Oder gibt es eine Chance, beides zu verbinden?

Die Regisseurin verweigert eine Antwort darauf, sie nimmt die Frage auch nicht allzu ernst. Die besten Szenen in „Küß mich“ sind die, wo die merklich geschliffenen, bewußt fragmentarisch gehaltenen Dialoge dem Film einen Anflug von Leichtigkeit verleihen und mit wenig Worten Atmosphäre aufgebaut wird. Die schlechtesten jene, wo Maris Pfeiffer der Stoff ausgeht und die Aktionen der Figuren zur Beliebigkeit tendieren. Da mag man sich für Paulas Nöte nur noch wenig zu interessieren. Indiz für die Ratlosigkeit der Regie im zweiten Teil des Films ist denn auch die locker swingende Musik, die ein wenig ablenkt von dem, was Sache sein soll. Seichte Sequenzen inbegriffen in einem Film, in dem besonders Caroline Redl und Katja Riemann als Paulas große Schwester eine gute Figur machen. Letztere ist ihr leuchtendes Vorbild, weil sie ihre Gefühle prima im Griff hat und immer sagen kann, wann sie von wem etwas will.

Durch große Differenzierungen zeichnen sich die Figuren in Maris Pfeiffers Film nicht gerade aus. Gottseidank gibt es da Detlev Buck als versoffenen Kaufhausdetektiv, der seine Beute – Fabian und Paula – mit gezielten Wodka-Gaben zum Sprechen bringen will.

Alexander Musik