In Erwartung der Schnecke

■ Mexikanische Künstler zeigen Spielzeug für den Frieden

Ein Hähnchen aus Bronze, ein Holzkrokodil auf Rädern, eine Eisenbahn aus Sardinendosen, eine Babypuppe aus Lehm – Spielzeuge oder Kunstwerke? Die Ausstellungsstücke im Museum für Völkerkunde wollen beides sein. Im Rahmen eines Wettbewerbs in Mexiko wurden bildende Künstler aufgefordert, umweltfreundliches und phantasievolles Spielzeug zu schaffen. Vor allem aber sollten die Kunstspielsachen sich von Gewaltverherrlichung abgrenzen und zu neuen, friedlichen Spielen animieren. Als „Toys for Peace“ reiste die Ausstellung durch Lateinamerika und die USA und ist nun, nach Magdeburg, unter dem Titel „Spielkunst – Kunstspiel“ auch in Berlin zu sehen.

Auf spielerische Weise, so hoffen die Ausstellungsmacher, werde hier zugleich Kindern das Museum schmackhaft gemacht. Bisher hat sich noch kein Spielzeughersteller für die Objekte interessiert, aber sie sind ja auch eher dazu gedacht, Anregungen zum Selbermachen zu liefern. Die gezeigten Stücke bestehen aus vielfältigen Materialien wie Holz, Ton, Papier, Draht oder sogar Knochen. Wenn solches Bastelmaterial zu Hause nicht vorrätig ist, lohnt vielleicht ein Blick in den Mülleimer. Wie kind aus Abfallprodukten Spielzeug machen kann, zeigt José Luis Diaz Vega: Plastikflaschen sind prima Türme für eine Ritterburg oder das Fahrgestell eines Ufos, aus Einwegrasierern werden Gliedmaßen für Marsmenschen.

Die Palette der Kunstwerke reicht vom schlichten, pragmatischen Spielzeug nach klassischem Vorbild – die Holzente oder der Dackel auf Rädern ist bei Roger von Gunten ein Fische verschlingendes Krokodil – bis hin zu filigranen Phantasieobjekten mit poetischen Namen. „Der Weg der verlorenen Träume in Erwartung der Schnecke“ nennt Berenice Torres ihre Ansammlung bekleideter Holzpüppchen und nackter Lehmfigürchen mit sorgsam modelliertem Geschlecht. Besonders die Künstlerinnen haben offenbar eine Vorliebe für Schatzkästchen und Sammelsurien niedlicher Kostbarkeiten. Pamela Zambranos „Träume eines Kindes“ sind kleine Schmuckstücke aus Silber und Lehm, die aus einer verzierten Schale quillen.

Ein beträchtlicher Teil der Ausstellung besteht aus Guckkästen und Tabernakeln, in denen es jede Menge zu entdecken gibt. Je winziger, desto kindlicher, scheint sich mancher Künstler gedacht zu haben. Die Miniaturen in David Silvas Setzkasten mit dem Titel „Winde und Flugzeuge“ könnten Kinder sich problemlos ins Ohr stecken und natürlich auch verschlucken. Den Hinweis „nicht für Kinder unter drei Jahren geeignet“, wie bei gewissen schokoladeummantelten Spielzeugen üblich, gibt es hier zwar nicht, aber schön anzusehen ist es trotzdem. Neben kunterbunten Spielsachen und Szenarien finden sich auch Entwürfe für Kindermöbel. Ein katzenköpfiger Kasten auf Räderbeinen beispielsweise oder ein Kinderhochsitz mit Schwimmring, Modell „Rette dich selbst“.

Ob all das kunstvolle Spielzeug die kleinen Besucher dazu bekehren kann, die Power Rangers und Super Soakers in den Müll zu werfen und statt dessen inspiriert zur Laubsäge zu greifen, ist allerdings fraglich. Denn die Ausstellung wird präsentiert wie jede andere. Anfassen oder gar Ausprobieren ist nicht möglich, alle Spielzeuge sind in Vitrinen eingeschlossen. Schuld an der wenig kindgerechten Aufmachung ist natürlich das liebe Geld: Die minimalen Mittel reichten weder für Wachpersonal, das bei einer offenen Präsentation nötig gewesen wäre, noch für ein Begleitprogramm. So wirkt das mobile Spielzeug letztlich doch wie starres Kunsthandwerk. Nichts bewegt sich, Püppchen, Drachen, Schaukelpferd und Krokodil stehen still in ihren gläsernen Särgen, alles tot. Alles? Nicht alles: mit ein bißchen Kraftaufwand könnten die Kinder immerhin das freistehende fette Bronzehähnchen zum Rotieren bringen. Na, dann spielt mal schön. Anne Winter

„Spielkunst – Kunstspiel“, bis 16.8., Di-Fr, 9-17, Sa/So 10-17 Uhr, Museum für Völkerkunde, Lansstraße 8, Dahlem