Alle Klarheiten beseitigt

■ Im Hamburger Polizeiskandal wurde ein überaus salomonisches Urteil gefällt

Hamburg (taz) – Gut Ding will eben Weile haben: Mit der Aufklärung des Hamburger Polizeiskandals wird es so schnell nichts werden. Das folgt aus einem salomonischen Grundsatzurteil, welches das Verfassungsgericht der Hansestadt gestern in einem Rechtsstreit zwischen Regierung und Parlament des Stadtstaates fällte – und das alle Klarheiten beseitigte bis auf eine: Das Nähere regelt das Gericht höchstselbst. Der Hamburger Senat wird einerseits verpflichtet, alle einschlägigen Dienst-, Ermittlungs- und Disziplinarakten dem zur Aufklärung des Hamburger Polizeiskandals eingesetzten Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) zu übergeben. Bislang hatte der Senat „aus Gründen des Datenschutzes“ das Recht reklamiert, Aktenteile zu schwärzen, und der PUA hatte heftig protestiert.

Andererseits hält das Verfassungsgericht die Regierung des Stadtstaates jedoch für „nicht berechtigt“, dem Ausschuß Akten vorzulegen, die „zu schützende personenbezogene Daten enthalten“. Denn die Bürgerschaft kennt keine Rechtsvorschrift, die das grundgesetzlich geschützte „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ sichert. Anders als zum Beispiel der Deutsche Bundestag verfügt das Hamburger Landesparlament über keine bindende Geheimhaltungsvorschrift für Abgeordnete und schon gar nicht für deren Mitarbeiter.

Jetzt muß die Landesregierung dem Ausschuß zwar sämtliche Akten vorlegen, darf aber „Akten und Aktenteile bestimmen, über die nicht öffentlich verhandelt werden darf“. Dem kann der Ausschuß widersprechen – was er sicherlich auch tun wird –, und dann müssen Regierung und parlamentarisches Kontrollorgan sich eben „einigen“. Sollten sie das nicht können, gibt es nur einen Ausweg: die Anrufung des Verfassungsgerichts, das dann in jedem Einzelfall höchstselbst entscheidet. Bei einem Berg von gut und gerne 1.800 Akten, die zwischen Senat und PUA strittig sind, kommt da eine Menge Arbeit auf alle Beteiligten zu. Sven-Michael Veit