Immer quer durchs Biotop

■ Ab morgen wieder Motorboot-Rennen auf der Norderelbe Von Rainer Glitz

„Das klingt wie ein Hornissenschwarm“, sagt Harald Köpke, „den ganzen Tag dröhnen auch noch die Stimmen aus den Lautsprechern.“ Das Mitglied des Bundesverbandes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wohnt an der Norderelbe und weiß aus eigener Erfahrung, was sich hier lautstark einmal im Jahr zwischen Moorfleet und Bergedorf abspielt. Die Szene der Motorboot-Begeisterten trifft sich, um Deutsche und Europa-Meister zu ermitteln. Mit der Ruhe im Biotop Vordeichfläche ist es dann vorbei – wie auch dieses Wochenende bei der mittlerweile neunten Auflage.

Zwei Tage lang werden ab morgen 70 Fahrer mit bis zu 170 PS starken und teilweise mehr als 100 Stundenkilometer schnellen Booten über das Wasser brettern. Neben Lärm und Abgasen ist mit dem fragwürdigen Spektakel auf öffentlichen Wasserstraßen ein weiteres Problem verbunden: An beiden Renntagen erwartet der Veranstalter ADAC jeweils mehr als 30 000 Zuschauer. Die werden durch das Brutgebiet seltener Wasservögel trampeln, nachdem sie ihre Autos vor Ort abgestellt haben. Seine durchmotorisierte Klientel läßt der ADAC halt nicht hängen: Für ausreichend Parkraum hat der Club des organisierten Autowahns gesorgt.

Wie auch für ein buntes Rahmenprogramm. Neben den schnellen Wasserflitzern lockt die „Maritime Meile“, die „Unterhaltung für die ganze Familie“ biete, so der ADAC. Mit Freßständen, Fallschirmspringerstaffeln oder Wasserski-Show sollen die Kleinen schon früh bei der Stoßstange gehalten werden.

Aus ökologischer Sicht haben die Auto- und Motorsportlobbyisten keine Bedenken bei der Veranstaltung im Landschaftsschutzgebiet. „Es gibt keine Trainingsläufe mehr, wir beschränken uns auf das reine Rennen“, geriert sich ADAC-Sprecher Matthias Schmitting als Blauer Umweltengel. Ohnehin sei die Norderelbe auf diesem Abschnitt eine Wasserwirtschaftsstraße. Ob das auch die auf den Vordeichflächen nistenden Wasservögel wissen, die direkt vor ihrer Haustür „grandiose Verfolgungsjagden und Positionskämpfe“ erleben dürfen?

Der ungewohnte Lärm hat für die Tiere oftmals erhebliche Folgen: Wenn die verschreckten Eltern ihr Nest zu lange im Stich ließen, „kann das für Rohrsängerjunge den Tod bedeuten“, warnt Paul Schmid vom BUND. Der Sprecher der Hamburger Sektion lehnt die Massenveranstaltung ab, hat aber anscheinend schon resigniert: „Wir haben keine Aktionen geplant.“

Auch Ina Heidemann von der Hamburger Umweltbehörde sieht keine Möglichkeit, dem als wertvoll eingestuften Biotop beizustehen: „Nach dem Bezirksverwaltungsgesetz genehmigt das zuständige Bezirksamt die Veranstaltung. Wir gehen davon aus, daß dabei die Umweltbelange berücksichtigt werden.“ Gänzlich erfolglos blieben frühere Anstrengungen jedoch nicht: Bis vor wenigen Jahren fand das Spektakel noch auf der Dove-Elbe statt. Nach Anwohner-Protesten mußte die motorisierte Karawane aber weiter flußabwärts ziehen.