Sanssouci
: Vorschlag

■ Heimatklänge: Waldemar Bastos und Band knarzen glockenhell

„Das Gebäude kenne ich irgendwie“, sagte Waldemar Bastos bei seiner Ankunft im Forum Hotel am Alex. In den DDR-Achtzigern hatte der gebürtige Angolaner einen Auftritt beim Festival des politischen Liedes. Wäre die angolanische Polizei oder irgendeine der verfeindeten Guerillaorganisationen hinter ihm und seinen Mitmusikern bei den Heimatklängen her, die Fahnder hätten keine leichte Aufgabe. Gitarrist und Sänger Bastos, dessen Stücke schon mal von Raketen handeln, die einem tagelang um den Kopf surren wie anderswo Fliegen, bezeichnet Angola als seine Liebhaberin, die er eines Tages leider verlassen mußte. Bastos, in der ehemaligen Kolonie Portugals geboren, wollte nicht auf eine der überall im Land verteilten Minen treten und als Krüppel enden wie zahlreiche seiner Landsleute. Inzwischen ist ihm Lissabon zur zweiten Geliebten geworden. Wichtige Stationen seiner Odyssee waren und sind Brasilien, Frankreich, Portugal, Angola und, tja, das flüchtlingsfreundliche, rot- weiß geschminkte Dänemark.

Als würde diese Reise an die Stätten lusitanischer, d.h. portugiesisch beeinflußter Kultur ihn nicht schon ausreichend als Mitglied der LusoMania-Familie mit temporärem Wohnsitz Tempodrom qualifizieren, hat Bastos für seine Band noch andere Exoten engagiert, den Berliner Andreas Weiser zum Beispiel. Der Perkussionist und ehemalige Elefant (einigen dürfte er auch als taz-Autor in Erinnerung sein) lernte in Brasilien die dritte Person im Spiel kennen, den Bassisten Jorge Degas. Der wohnt inzwischen in? Genau, Dänemark. Weiser und Degas wiederum spielen zusammen bei Xiam.

Solche Herkunftsforschungen sagen immer nur bedingt etwas über die Musik aus, die hinten rauskommt, wenn man vorne das Land in seinen Ethnocomputer eingibt. Was aber auf alle Fälle hörbar ist bei Bastos' elfköpfiger Band, ist eine ziemlich gut geölte, trotzdem charmant knarzende Fusionsmaschine, die vor allem afrikanische und brasilianische Rhythmen und Sounds zusammenknödelt. Den Afrika-Part besetzen die E-Gitarren, die gerne mal ins glockenhelle, highlifemäßige rüberdriften. Die Trommelabteilungen, drei Mann hoch, scheinen denn doch eher den südamerikanischen Musikküchen verpflichtet.

Dann ist da noch eine Frau am Saxophon, Monica de Oliveira, die immer streng dazwischenfährt, wenn die Männer zuviel Unsinn zusammentrommeln. Der rhythmustechnische Herzinfarkt droht allen, die weiblichen Reizen recht offen gegenüberstehen, wenn die Tänzerin Clyde Coelho über die Bühne fegt, deren Dosen-BH der Renner auf der Love Parade gewesen wäre. Als hätte ein fehlgeleitetes Antisexismus-Guerillakommando den Auftritt beendet, brach am ersten Abend kurz vor zwölf plötzlich die Stromversorgung zusammen. „Ein echter coitus interruptus“, meinte einer der Musiker hinterher. Andreas Becker

Waldemar Bastos, bis Sa. täglich 21.30, So. 16 Uhr, Tempodrom, In den Zelten, Tiergarten