Standortpolitik in Rot-Grün

■ In der Medienpolitik sind Nordrhein-Westfalens Grüne zahme Partner für eine ausgefuchste SPD

Noch vor kurzem galten die Grünen von Nordrhein-Westfalen als Linksaußen unter den Landesverbänden. Da wurde von prominenter Seite schon mal die Liquidierung der Filmstiftung gefordert, und der Kölner Landtagsabgeordnete Daniel Kreutz mochte in der Debatte um das Fernsehen noch nicht einmal den Begriff „Duales System“ durchgehen lassen. Damit würde man schließlich leichtfertig die Existenz privater Sender anerkennen.

Inzwischen haben sich die Gemüter von Filmförderern und privaten TV-Machern in NRW beruhigt. In der rot-grünen Koalitionsvereinbarung bekennen sich nämlich beide Partner zum „privaten Rundfunk als gleichberechtigtem Bestandteil des Dualen Systems“ und zum „Medienstandort NRW“. Mehr noch: Medien- und Kommunikationswirtschaft sind für die künftige Landesregierung die „zweite Säule der industriell-technischen Erneuerung“ des Landes – neben der Umwelt- und Energiewirtschaft. Bestätigt wird damit die beharrliche Politik des bisherigen Chefs der Staatskanzlei, Wolfgang Clement, den die FAZ kürzlich mit dem Satz zitierte: „Kein Fernsehprogramm kann so schlecht sein, daß es den Verzicht auf Investitionen in die neuen Medien rechtfertigen könnte.“

Clement darf jetzt die Medienpolitik in sein künftiges Ressort als Wirtschaftsminister mitnehmen. Seine Standortpolitik war schließlich auch erfolgreich: Heute steht die Branche nach der Zahl der Arbeitsplätze bereits auf Platz drei – weit vor Kohle und Stahl.

Ansonsten finden sich im Koalitionspapier neben einer Reihe von Selbstverständlichkeiten auch einige neue Akzente – vor allem verglichen mit hergebrachter grüner Medienpolitik. So droht die Koalition mit der Aufhebung der 20-Uhr-Werbegrenze beim WDR, „wenn andere Bundesländer der ARD und dem ZDF die notwendigen Gebührenerhöhungen verweigern“. Andererseits gestattet das Koalitionspapier dem WDR mit einer weitschweifigen Begründung die Kooperation mit der Privatwirtschaft – was seit Jahrzehnten gang und gäbe ist.

Einen Erfolg können die Grünen in Sachen „Bürgerfunk“, einer Sparte des privaten Rundfunks, verbuchen. Die Koalitionsregierung will in nächster Zeit einen Vorschlag für eine „Bürgerfunkabgabe“ erarbeiten. Sie soll von den Betriebsgesellschaften erbracht werden, die in der Regel von den Zeitungsverlegern dominiert werden. Andererseits streben die Koalitionspartner bei der Kontrolle der privaten Sender einmal mehr Transparenz der Eigentumsverhältnisse und eine „gemeinsame Lizenz- und Kontrolleinrichtung der Länder“ an. Die Konzentrationskontrolle soll dabei auch Eigentumsanteile und Einfluß privater Veranstalter auf „benachbarten Medienmärkten“ – sprich Presse und Filmzulieferungen – berücksichtigen. Das sind allerdings Absichtserklärungen, die erst im künftigen Rundfunkstaatsvertrag der Bundesländer umgesetzt werden müßten.

Praxisrelevant sind dagegen die Passagen, die sich mit Multimedia in NRW befassen. Zum erstenmal wird festgeschrieben, daß der Zugang zu den Netzen „grundsätzlich frei“ ist und daß Netzbetreiber „weder über die Auswahl der Nutzer noch über die Auswahl der Nutzungstarife die Inhalte nach politischen bzw. Konkurrenzgesichtspunkten“ bestimmen dürfen. Vorbildlich ist auch die Reservierung von „bis zu 20 Prozent der Netzkapazitäten“ für non-profit- communication. Bei diesen Punkten habe die Staatskanzlei bis zuletzt „gemauert“ – sagt die grüne Fraktionsvorsitzende Bärbel Höhn: „Aber ich bin da stur geblieben.“

Mit Hinweis auf lange geplante und jetzt beginnende NRW-Pilotprojekte reklamiert allerdings auch Jürgen Büssow, medienpolitischer Sprecher der SPD, die Urheberschaft dieser Passagen für sich. Büssow auf die Frage, ob es überhaupt Positionen gebe, die nicht von vornherein seine eigenen waren: „Nicht sehr viele.“

Immerhin mag er zugeben, daß „die Grünen gut mitgespielt“ hätten. Das sei auch bei der Zusammenführung von kultureller und wirtschaftlicher Filmförderung der Fall gewesen. Das Filmbüro soll in die Filmstiftung integriert, seine Aufgaben sollen präzise beschrieben und sein Etat aus Mitteln der Filmstiftung von 3,5 auf 4 Millionen aufgestockt werden. NRW folgt damit dem Beispiel von Hamburg und Berlin, die bereits ähnliche Regelungen beschlossen haben. Peter Hanemann/

Wolfgang Hippe