Der Chef kommt: Präsident Chirac in Afrika

■ An Frankreichs Beziehungen zu Afrikas Herrschaftseliten ändert sich wenig

Berlin (taz) – Der französische Präsident Jacques Chirac hat am Mittwoch einen sechstägigen Besuch in Afrika begonnen, bei dem er mit 15 afrikanischen Staatschefs zusammentreffen wird. Nach eigener Aussage will Chirac mit seiner ersten längeren Auslandsvisite seit Amtsantritt die „Anwaltsrolle“ Frankreichs für den krisengeschüttelten Kontinent übernehmen. Tatsächlich geht es freilich darum, die traditionelle Vorrangstellung auf dem Nachbarkontinent auch für die Dauer seiner Amtszeit zu sichern.

Neben einem Besuch in Marokko, wo Chirac mit König Hassan II. unter anderem über ein Partnerschaftsabkommen mit der EU gesprochen hat, stehen die Treffen mit 14 Staatschefs aus dem frankophonen Afrika in Gabun, Senegal und der Elfenbeinküste im Vordergrund seiner Reise. Sie zählen zu den engen Partnern Frankreichs auf dem afrikanischen Kontinent, die einen Großteil der rund 14 Milliarden Mark Entwicklungshilfe erhalten, die Frankreich jedes Jahr für Afrika ausgibt.

Chiracs will sich auf seiner „Informationsreise“ über die Folgen der Abwertung des CFA-Franc informieren. Anfang 1994 hatten die 15 west- und zentralafrikanischen Staatschefs ihre gemeinsame Währung gegenüber dem französischen Franc um 50 Prozent abgewertet. Die Reform, die die Chancen afrikanischer Exporteure auf dem Weltmarkt erhöhen sollte, hatte zu Preissprüngen und entsprechenden Protesten etwa in Benin oder Niger geführt. Frankreich griff damals zusammen mit dem Währungsfonds den Regierungen massiv finanziell unter die Arme.

Neben traditioneller Entwicklungshilfe und finanziellen Notprogrammen wird aber auch die Militärkooperation mit den afrikanischen Staaten auf Chiracs Programm stehen. Acht afrikanische Staaten, darunter Gabun, der Tschad, Senegal oder die Elfenbeinküste waren in das französische Verteidigungskonzept eingebunden. Mit Kooperationsverträgen sicherte sich Frankreich so den Zugang zu Rohstoffen. Mit Öl aus Gabun oder Uran aus dem Tschad wahrte es seine internationale Unabhängigkeit – gerade als zivile und militärische Atommacht.

Die 8.700 französischen Soldaten, die bis heute in Afrika stationiert sind, haben nach wie vor die Aufgabe, die ökonomischen Interessen, aber auch die Sicherheit französischer Bürger zu garantieren. Ein Auslaufmodell: Langfristig will Frankreich, berichtet die Zeitung Le Monde unter Berufung auf französische Militärkreise, auf eigene militärische Interventionen wie noch in Ruanda verzichten. Statt dessen denken die Strategen in Paris derzeit über eine interafrikanische Einsatztruppe nach, die die militärische Präsenz der Franzosen auf dem afrikanischen Kontinent überflüssig machen könnte.

Französische Afrikapolitik, immer eine Chefsache des Präsidenten, war auch unter François Mitterrand vor allem durch enge persönliche Bindungen zur afrikanischen Herrschaftelite gekennzeichnet. Zwar schwenkte Mitterrand 1990 mit dem frankoafrikanischen Gipfel in La Baule auf einen veränderten Kurs ein, als er die französische Entwicklungshilfe an eine Demokratisierung der afrikanischen Staaten knüpfte. Schon das war einigen Staatschefs zu viel: Bedroht von breiten Protestbewegungen, fühlten sie sich von Frankreich verlassen.

Der neue Kurs hielt nicht lange vor. Schon zwei Jahre später, beim nächsten Gipfeltreffen in Libreville, verdrängte Frankreichs Wunsch nach „Stabilität“ in den afrikanischen Staaten die Idee der Demokratisierung auf Platz zwei. Mit Hilfe Frankreichs kehrte etwa Zaires Staatschef Mobutu, wegen Menschenrechtsverletzungen international geächtet, 1994 auf das internationale Parkett zurück. Zum Chirac-Besuch wurde er trotzdem nicht eingeladen.

Zwar hat Jacques Chirac mit dem 84jährigen Jacques Foccard jemanden zu seinem persönlichen Afrikaberater ernannt, dem die besten Beziehungen zur früheren Herrschaftselite nachgesagt werden – eine fast reaktionäre Entscheidung. Foccard war für dieses Ressort bereits unter den Präsidenten Charles de Gaulle und George Pompidou zuständig. Ein Gegengewicht dazu konnte Regierungschef Alain Juppé schaffen: Das Kooperationsministerium wurde dem Außenministerium unterstellt, dessen Einfluß damit gegenüber dem Präsidenten gestärkt wird. Und hier sitzen eher Pragmatiker.

Die Mehrheit der 14 Staatschefs des frankophonen Afrika hat die Wahl Chiracs zum neuen Präsidenten begrüßt. In diesen Tagen werden sie sich persönlich überzeugen können, daß sich nicht viel ändern wird. Daniel Stroux