Atomkraftwerk Biblis A liegt erst mal still

Rot-grüne Landesregierung untersagt Betrieb, weil das AKW unzureichend gegen Sabotage und Brände geschützt ist und zudem für manche Einbauten gar keine Genehmigung vorliegt  ■ Von K.-P. Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) – Das Atomkraftwerk Biblis A soll vorläufig stillgelegt werden. Die hessische Ministerin für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit, Iris Blaul (Bündnis 90/Die Grünen), hat gestern in Wiesbaden die „einstweilige Stillegung“ des AKW Biblis A angekündigt. Dem Betreiber RWE sollen die insgesamt drei Stillegungsverfügungen am 28. Juli 1995 zugestellt werden. Sie sind „sofort vollziehbar“.

Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) hatten Blauls Beamte zuvor die Gründe für die Stillegung des ältesten deutschen AKW dieser Größenordnung (1.200 Megawatt) mitgeteilt. Blaul warnte Frau Merkel vor einer atomrechtlichen Weisung zum Weiterbetrieb des derzeit stilliegenden AKW. „Von Biblis A gehen erhebliche Gefahren im Sinne des geltenden Atomgesetzes aus. Bei dieser Sachlage wäre es unverantwortlich, die Zulassung eines Weiterbetriebes zu erzwingen.“ Bundesministerin Merkel kündigte gestern dennoch an, mit einer Weisung die hessische Landesregierung zu stoppen.

Jede einzelne der drei einstweiligen Stillegungsverfügungen reicht nach hessischer Ansicht eigentlich aus, um den Atommeiler – nach dem Ablauf von Fristen – endgültig stillegen zu können. Bis zum 31. Oktober 1995 habe RWE Zeit, einen „vollständigen und prüffähigen Antrag etwa zur Ertüchtigung des Sabotageschutzes“ vorzulegen. Daß die Atomanlage in Biblis nicht hinreichend gegen Angriffe von Terroristen geschützt sei, hatte schon vor Jahren der damalige hessische Umweltminister Karlheinz Weimar (CDU) (1987–1991) moniert. Doch bis heute, so Blaul, habe RWE noch keinen bescheidungsfähigen Antrag zur Verbesserung des Sabotageschutzes eingereicht.

Die zweite Stillegungsverfügung von Blaul betrifft den „mangelhaften Brandschutz in der leittechnischen Schaltzentrale“ des AKW. Auch hier habe RWE durch „unzureichende Genehmigungsanträge“ erforderliche Investitionen in die Sicherheit verschleppt. Blaul legte ihrer Stillegungsverfügung eine neue Untersuchung der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) bei. Darin wird aufgelistet, daß es in deutschen Leichtwasserreaktoren in den Jahren 1985 bis 1991 zu insgesamt 14 Brandereignissen gekommen ist. Und in fast der Hälfte aller Fälle seien Brände an elektrischen Installationen oder anderen elektrischen Einrichtungen zu verzeichnen gewesen. Wie RWE darauf zu hoffen, daß es in Biblis A schon nicht brennen werde, sei eine Haltung, die die hessische Atomaufsicht nicht akzeptieren werde, sagte Blaul.

Die dritte Stillegungsverfügung der grünen Ministerin bezieht sich darauf, daß Teile von Biblis A offenbar seit 1981 „ohne die erforderliche atomrechtliche Genehmigung“ betrieben werden. Das Kraftwerk, so Blaul, entspreche in sicherheitstechnisch relevanten Bereichen nicht dem Zustand, der durch die Errichtungsgenehmigungen gestattet worden sei.

Darüber hinaus gebe es für die bestehende Löschanlage im Rangierverteiler von Block A weder eine atomrechtliche noch eine baurechtliche Genehmigung. Falls RWE nicht bis Ende 1995 „vollständige und prüfungsfähige“ Genehmigungsanträge für die ungenehmigten Komponenten vorlege, so Blaul, werde der Reaktor auch deshalb endgültig stillgelegt werden müssen. Kommentar Seite 10