Ins Wasser pullern verboten

■ Brandenburgs Seen locken viele BerlinerInnen / Eine fatale Folge: Autolawinen wälzen sich bis an die Ufer der Gewässer / Hinterlassen werden Müllberge und Ausscheidungen

Baden in Berlin ist out. Längst hat es sich unter den HauptstädterInnen herumgesprochen, daß im Nachbarland Brandenburg mit seinen mehr als 3.000 Seen „die Plätze idyllischer“ und „die Ufer nicht so zugebaut“ sind. Die Mehrzahl der Seen ist klein, mit Flächen unter zehn Hektar, und relativ flach. Doch es gibt auch wirkliche Prachtexemplare wie den Scharmützelsee mit einer Fläche von 1.200 Hektar oder den mit 68 Metern tiefsten See, den Stechlin. Erlebnisse von gesichteten Fischreihern und hübschen Waldgaststätten verbreiten sich in Windeseile und mit Folgen.

Denn kaum einer der schönen Seen im Berliner Umland läßt sich mühelos ohne Auto erreichen. So wälzt am Wochenende eine stetig steigende Blechlawine aus der Stadt bis an die Uferregionen der brandenburgischen Gewässer. Alte Buchenbestände am Liepnitzsee, einem der reizvollsten Seen nördlich Berlins, erkrankten, weil jahrelang im Schatten der Bäume geparkt worden war. In diesem Sommer hat die Gemeinde Ützdorf jedoch reagiert. Ein brachliegendes Ackerstück wurde zum Parkplatz umfunktioniert und ein halbes Bataillon von BürgerInnen der Gemeinde wacht darüber, daß die Gäste hier vorschriftsmäßig gegen Gebühr ihr Auto in der Sonne parken.

Problem Nummer Zwei: Kaum ein Badender nimmt den Müll von seinem Picknick wieder mit nach Hause. Vorhandene Papierkörbe quellen innerhalb kürzester Zeit über, umherliegender Unrat wird zur Gefahr für Hase und Wildschwein.

Auch daß sich die Qualität der Seen seit 1990 insgesamt verbesserte, wie Brandenburgs Umweltminister Matthias Platzeck in dieser Woche erklärte, geht wohl kaum auf das Konto der BerlinerInnen. Besonders ältere Seen am Rand der Stadt, so Jens Meisel, Geschäftsführer des „Gewässerkataster und angewandte Gewässerökologie e.V.“, oder solche, in denen ein geringer Wasseraustausch stattfindet, wie zum Beispiel der Summter See bei Mühlenbeck, gelten mittlerweile als stark belastet. Abwässer aus der Landwirtschaft oder von Bungalowsiedlungen seien das eine, nicht zu unterschätzen wäre jedoch, daß eine Vielzahl der Leute im Wasser ihr Wasser lassen. „Für kleine Kiesgruben, die keinen natürlichen Zu- und Ablauf besitzen, ist dies verhängnisvoll.“

Im Auftrag des brandenburgischen Umweltministeriums begann der Verein 1991 mit den Untersuchungen für den Aufbau eines „Seenkatasters“. Eine erste Klassifikation von etwa 1.100 Seen durch das in der Bundesrepublik einmalige Projekt ergab bis Ende 1994, daß heute etwa ein Drittel der Seen Brandenburgs als mit Nährstoffen belastet gilt. Zu viele Phosphat- und Nitratverbindungen im Wasser führen zu Störungen im Stoffkreislauf, zur Algenmassenentwicklung. „Das Wasser färbt sich grün, hat eine geringe Sichttiefe.“ Es kann zu vermehrten Schlammablagerungen, zu Sauerstoffmangel bis hin zum Fischsterben kommen.

Brandenburg selbst investierte bislang 55 Millionen Mark für die Sanierung von etwa 100 Gewässern. 940 Millionen Mark wurden seit 1990 für den Bau und die Modernisierung von Kläranlagen durch das Umweltministerium zur Verfügung gestellt, weitere Haushalte an die Kanalisation angeschlossen.

Dennoch gibt es, so Minister Platzeck, regionale Unterschiede, was die Güte der Seen betrifft. Schwach nährstoffbelastete Gewässer wie der Stechlin finden sich hauptsächlich im Norden Brandenburgs, während in Mittel- und Südbrandenburg stark nährstoffhaltige Gewässer dominieren. Hier habe man bis heute mit den Sünden der Vergangenheit – Überdüngung der Felder, militärische Nutzung oder Einleitung von Industrieabwässern – zu kämpfen. „Seen haben ein längeres Gedächtnis als Flüsse“, so Platzeck.

Für die badehungrigen BerlinerInnen besteht momentan jedoch kaum eine Gefahr. Selbst wenn im Sommer die Wasserqualität generell nachlasse. Eine Faustregel besagt, daß alles, was bei etwa einem Meter Sichttiefe liegt, relativ unbedenklich ist. Oder um mit Umweltminister Platzeck zu sprechen: Wer sich nach dem Baden die Augen reibe, hatte es mit Sicherheit mit einem stark belasteten See zu tun. Kathi Seefeld