Hilfe, Autokralle!

■ Städte treiben Schulden mit der Kralle ein / Stadtkämmerer: „Wirkung enorm“

Düsseldorf (taz) – Bei der Pressestelle der Stadt Essen liefen gestern die Telefone heiß. Dutzende von Journalisten kannten nur ein Thema: die Kralle. Nachdem Regionalzeitungen in NRW über den Einsatz der städtischen „Wegfahrsperren“ im Kampf gegen säumige Schuldner berichtet hatten, war „die Anfrage einfach riesig“, sagt Essens Sprecherin Schlieper: „Das scheint mir ein richtiges Sommerlochthema zu sein.“

Die Idee, sich des Deutschen liebstes Kind zu krallen, um den Schuldnern Beine zu machen, funktioniert in der Praxis offenbar glänzend. Der Stadtkämmerer von Langenfeld: „Die Leute kommen spätestens am zweiten Tag und zahlen oder vereinbaren Raten.“ Völlig überrascht von dieser Praxis, die im rheinischen Hilden ebenso üblich ist wie in der Reviermetropole Essen, zeigte sich das Düsseldorfer Innenministerium und der Datenschutzbeauftragte des Landes. „Wir haben das auch erst aus der Zeitung erfahren“, gestand der Düsseldorfer Datenschützer Hort Dressler gestern. Daß die Städte unbezahlte Hundesteuer, Kindergartenbeiträge und Mahngebühren per Kralle eintreiben, sei schon „sehr merkwürdig“. Per Fax forderte Dressler inzwischen alle Kommunen auf, sich zu erklären, „denn das Gesetz sieht diese Möglichkeit gar nicht vor“. Öffentlich sichtbare Zettel an Autoscheiben, die Rückschlüsse auf den säumigen Schuldner zuließen, seien „in jedem Fall unzulässig, weil sie Menschen öffentlich an den Pranger stellen“. Und: „Das Selbstbestimmungsrecht ist wertvoller als die effektive Eintreibung von städtischen Schulden.“

Als ein Problem des Datenschutzes, das räumt Wolfgang Münz, Leiter der Essener Stadtkasse, freimütig ein, „haben wir das bisher nicht gesehen“. Im letzten Jahr schlugen die Essener Vollstreckungsbeamten rund ein dutzendmal mit der Kralle zu – bei 70.000 Vollstreckungsfällen insgesamt. Ein leuchtend roter Zettel auf der Windschutzscheibe, „Achtung, ihr Fahrzeug ist blockiert“ und der Absender „Stadtkasse Essen als Vollstreckungsbehörde“, ließen auch Unbeteiligte wissen, wem die Stadt da warum auf den Fersen war. Walter Jakobs