Abschiebungen in „geordneter Weise“

Die Bundesregierung und Vietnam unterzeichneten gestern ein „Rückübernahmeabkommen“ / Damit ist der Weg frei für die Abschiebung von 40.000 Menschen  ■ Aus Berlin von Vera Gaserow

Ein feierlicher Schriftzug auf weißem Papier und vom Bundesinnenminister sieht man nur noch einen blauen Anzug und ein strahlendes Gesicht. Manfred Kanther hat es geschafft: der Deal ist perfekt. Nach einjährigem, beidseitigem Poker haben die Bundesregierung und die Regierung Vietnams ein „Abkommen über die Rückübernahme von vietnamesischen Staatsbürgern“ ausgehandelt. Bis zum Jahr 2000, so sieht die gestern in Berlin unterzeichnete Vereinbarung vor, sollen 40.000 Vietnamesen abgeschoben werden.

Nicht Bestandteil dieses, sondern anderer Verträge: Als Gegenleistung für die bisher verweigerte Aufnahme der eigenen Landsleute erhält Vietnam für die Jahre 1995 und 96 jeweils 100 Millionen Mark Entwicklungshilfe aus Deutschland. Umgerechnet auf die vereinbarte Zahl 40.000 zahlt die Bundesregierung damit für jeden zurückzuschickenden Vietnamesen, eine Prämie von 5.000 Mark. „Ein unzulässiger Zusammenhang“, protestierte Bundesinnenminister gestern vor Journalisten, „dieses Abkommen hat mit Entwicklungshilfe nichts zu tun“, beteuerte Kanther und grinste zugleich vielsagend in die Fernsehkameras. Sein Vertragspartner, der stellvertretende vietnamesische Außenminister Nguyen Dy Nien, schwieg. Rund 100.000 Vietnamesen sind derzeit in Deutschland gemeldet. Von dem Abkommen sind all die betroffen, die keinen gültigen Aufenthaltstitel haben. Dazu gehören rund 20.000 abgelehnte Asylbewerber und alle Vietnamesen, die hier straffällig geworden sind. Straftäter sollen – egal welchen Delikts sie sich schuldig gemacht haben – an oberster Stelle in der Abschiebe-Rangfolge stehen. Mit ihrer „Rückführung“ will die Bundesregierung möglichst sofort beginnen, noch bevor das Abkommen in zwei Monaten offiziell in Kraft tritt.

Von Abschiebung bedroht sind jedoch auch viele ehemalige DDR- Vertragsarbeiter. Für sie wurde zwar im letzten Jahr auf Druck der ostdeutschen Bundesländer eine Bleiberechtsregelung in Kraft gesetzt. Danach bekamen all die, die zu einem bestimmten Stichtag eine Arbeit nachweisen konnten und nicht straffällig geworden waren, eine befristete Aufenthaltsbefugnis. Nur diese Gruppe der ehemaligen Vertragsarbeiter, sie wird auf 13.000 Personen geschätzt, ist damit vorerst vor einer Abschiebung geschützt. Wer zum Stichtag keine Arbeit hatte oder etwa durch den Handel mit unverzollten Zigaretten in der Zwischenzeit straffällig geworden ist, hat keinen gültigen Aufenthaltstitel und gehört damit zum Kreis der 40.000, die – gestaffelt nach jährlichen Quoten – bis zum Jahr 2000 „zurückgeführt“ werden.

Die Kosten für ihre „Rückführung“ trägt die Bundesrepublik. Sie soll, so Artikel 1 des Abkommens, „in geordneter Weise, unter Beachtung der Sicherheit und Menschenwürde“ durchgeführt werden. Zur Vorbereitung dieser Abschiebungsmaßnahmen soll demnächst eine Expertengruppe aus „erfahrenen Beamten“ nach Vietnam reisen und dabei gleichzeitig mit vietnamesischen Sicherheitskräften eine polizeiliche Zusammenarbeit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität aufbauen.

Vietnam hat zugesichert, die Rückkehrer nicht wegen unerlaubter Ausreise oder unerlaubten Aufenthalts im Ausland strafrechtlich zu verfolgen. Diese Zusage ist jedoch nicht Bestandteil des Abkommens sondern nur in einem „begleitenden Briefwechsel“ festgehalten.