Bundesaußenminister mit Gedächtnislücke?

■ Kinkel will sich nicht gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus Bosnien ausgesprochen haben / CDU-Abgeordneter fordert Schutz für Kriegsflüchtlinge

Bonn (taz) – Das Auswärtige Amt hat gestern Berichte dementiert, wonach Außenminister Klaus Kinkel sich am Donnerstag gegen die Aufnahme weiterer Kriegsflüchtlinge aus Bosnien ausgesprochen hat. Kinkel wende sich nicht gegen die Einreise weiterer Menschen aus dem Kriegsgebiet, die in Deutschland Zuflucht suchen, versicherte ein Sprecher.

Das von einer Nachrichtenagentur verbreitete Kinkel-Zitat („Das wäre etwas, was die Bevölkerung hier aufbringen würde“) sei zumindest aus dem Zusammenhang gerissen, sagte der Sprecher. Kinkel habe lediglich klarmachen wollen, daß eine schnelle Versorgung der notleidenden Menschen vor Ort Priorität habe, damit diese nicht ihre Heimat verlassen müßten.

Der Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz (CDU) widersprach den ersten Äußerungen Kinkels und forderte sowohl Hilfe vor Ort als auch die Bereitschaft, weitere bosnische Kriegsflüchtlinge in EU-Länder aufzunehmen. Die deutsche Bevölkerung sei sehr wohl bereit, angesichts des Flüchtlingselends auch weiteren verfolgten Kindern, Frauen und Männern in Deutschland Zuflucht zu gewähren, erklärte er.

Empört reagierte Bündnis 90/Die Grünen auf die Meldung. Pressprecherin Anne Nilges erinnerte an den Brandanschlag auf das Haus einer aus Ex-Jugoslawien geflohenen Familie im Landkreis Harburg. „Ich nehme zu Kinkels Gunsten an, daß er einen Aussetzer hatte“, sagte sie. Für den Fall, daß er die Äußerung überlegt getan habe, müsse man dem Außenminister aber den Vorwurf machen, „daß er rechtsradikale Täter deckt, die auch Flüchtlinge aus Ex- Jugoslawien im Visier haben“.

Die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) forderte gestern erneut einen klaren Rechtsstatus für die Bürgerkriegsflüchtlinge. Dies sei jetzt vorrangige Aufgabe der Politiker aus Bund und Ländern, sagte der badische Landesbischof Klaus Engelhardt. Der Landesbischof richtete angsichts sinkender Spendenbereitschaft die „dringende Bitte an alle Menschen“ in Deutschland, „gerade jetzt nicht die Resignation das Beherrschende sein zu lassen“.

Am Rande der Londoner Bosnien-Konferenz versprach Kinkel gestern unbürokratische Hilfe für die Vertriebenen. „Auch in Zukunft werden wir alles in unserer Kraft stehende tun, um in Abstimmung mit unseren europäischen Partnern das Elend und Leid der Flüchtlinge zu lindern“, versicherte er. Mit mehr als 400.000 Menschen habe Deutschland bislang mehr Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien aufgenommen als alle anderen Eu-Staaten zusammen. Hans Monath