Israel zwischen Kopf und Bauch

■ Zwei Welten treffen sich im Buntentorsteinweg: Philip Rantzer und Nahum Tevet zeigen Kunst aus Israel

Eine wahrlich beeindruckende Ausstellung ist derzeit in der Städtischen Galerie im Buntentor zu bestaunen. Israel ist hier zu Gast. Mit zwei Installationskünstlern, die beide gleichermaßen als bedeutende Vertreter israelischer Kunst und als Dokumenta-Teilnehmer längst international renommiert sind, aber noch nie zuvor gemeinsam präsentiert wurden. Dabei passen sie gerade deshalb so gut zusammen, weil sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Nahum Tevet und Philip Rantzer. Ersterer ein kühler Kopfkünstler, letzerer ein beinah barocker Sinnlichkeitsapologet, dessen Werke nicht nur mit allerhand kinetischen und phonetischen Überraschungseffekten aufwarten, sondern auch durch ihre massive Materialität fast zum Anfassen reizen.

Als Grundlage für seine Installationen verwendet Philip Rantzer Gebrauchsgegenstände, die er auf dem Sperrmüll, auf Flohmärkten, Dachböden und in Kellern findet. Diese fügt er zu skurrilen Environments voller Ironie zusammen. Mit dem Effekt, unsere alltäglichen Eitelkeiten und unsere Dingverliebtheit als pure Lächerlichkeit zu entlarven.

„I Love Art and Art Loves Me“ heißt da ein Selbstportrait des Künstlers, in dem sein Leib nur noch eine Zielscheibe ist. Und dies vor einer auf einen alten Teppich gemalten Mauer, die mit düsteren Assoziationen an Gewalt und Tod einen beißenden Sarkasmus ins Spiel bringt. So wird der BetrachterIn der unwillkürlich provozierte Lachreflex gleich wieder im Halse erstickt. Ähnlich wie hier, ist die Wirkung auch bei Rantzers anderen Installationen oftmals die eines perfekt inszenierten Theaters der Absurdität, die uns einen Schauer nach dem anderen über den Rücken treibt. Freilich sind diese Schauer manchmal durchaus wohliger Natur. Zum Beispiel verwöhnt uns Janis Joplin mit „Mercedes Benz“, der Pophymne der Woodstock-Generation. Diese tönt aus einer Installation aus Spiegeltisch, Teppich, angebrochener Weinflasche und unzähligem Nippes und Tand. Unwillkürlich versinkt man in einem Strudel verkitschter Erinnerungen an die einst so ernstgemeinte Love-and-Peace- Sozialromantik. Die Pointe: Zur Musik klappen die Flügel des Spiegeltisches hin und her und konfrontieren die BetrachterIn mit dem eigenen, mittlerweile längst gealterten Gesicht.

Solche Installationen, wie auch die diversen Vitrinen voller Krimskrams-Arrangements zeigen deutliche Anklänge an die Environments eines Edward Kienholz, den Rantzer ebenso überzeugend zu zitieren versteht wie Picasso oder Beuys. Wobei er jedem Zitat eine ganz eigener Handschrift aufprägt.

Die gleichen bewußten Bezüge auf die Kunstgeschichte als Quelle des eigenen Schaffens durchziehen auch das Oevre von Nahum Tevet. Freilich sind sie bei ihm weniger augenfällig und entstammen einer fast entgegengesetzten Traditionslinie. Das Bauhaus als Inbegriff architektonischer Moderne scheint bei ihm Pate gestanden zu haben. Seine Installationen lassen sich als eine kritische Auseinandersetzung mit der Moderne und ihren postmodernen Ausläufern – vom Städtebau bis hin zur Möbelgestaltung – lesen. Was Nahum Tevet mit diesen architektonischen Arrangements ausdrückt, ist gleichsam die Dialektik der (post-)modernen Formensprache, denn sie ist ihm gleichzeitig positives Vorbild und kritikwürdiges Sujet. Dies kommt in der Bremer Ausstellung auf ganz besonders reizvolle Weise zum Ausdruck: Durch den Kontrast zwischen Tevets kandinskyhafter Phantasiearchitektur und der geweißelten Industrieromantik der Galerieräume. Nicht zuletzt hierin zeigt sich, daß der Mut zu ästhetischen Gegensätzen, von dem dieses Ausstellungskonzept lebt, ein durchaus lohnenswertes Unterfangen sein kann.

Moritz Wecker

Bis 17. Sept. Di. bis Fr. 10- 16 Uhr. u. So. 11-16 Uhr