Kenias Präsident sucht Streit

■ Mangelnde Reformen, Menschenrechtsverletzungen und ein aggressiver Ton gegenüber dem Westen: Die Geberländer werden es heute in Paris honorieren. Die Bundesregierung will ihre Hilfe nicht erhöhen.

Berlin (taz) – „Kenia ist keine deutsche Kolonie.“ Der deutsche Botschafter mische sich in die inneren Angelegenheiten Kenias ein, säe Zwietracht in der Bevölkerung, hetze gegen die Regierung und trete als Sprachrohr der Opposition auf. Kenias Präsident Daniel arab Moi setzte noch eins drauf. Er drohte ausländischen Diplomaten mit Ausweisung, sollten sie das ostafrikanische Land weiter destabilisieren. Doch Mois schwerwiegende Angriffe gegen die westlichen Diplomaten – er hatte nicht nur Botschafter Bernd Mützelburg sondern auch dessen US-amerikanische Kollegin Aurelia Brazeal Mitte Juli ins Visier genommen – kommen für Kenia zu einem kritischen Zeitpunkt: Heute entscheiden die Geberländer in Paris über die weitere Entwicklungszusammenarbeit mit dem ostafrikanischen Land. Vor dem Hintergrund von schleppenden Reformen, Menschenrechtsverletzungen und politisch motivierter ethnischer Gewalt, die die Stabilität des Landes gefährdet, werden Mois Äußerungen die Kritik der Geberländer nochmals verschärfen. Ist Mois Verhalten ein Zeichen für die Wiederherstellung des autoritären Systems in Kenia, wie es vor 1991 bestand?

Deutschland, die USA, aber auch Japan, das mit an erster Stelle der Finanziers Kenias steht, hatten Regierung und Opposition aufgefordert, ihre Konflikte im Dialog zu lösen. Sie hatten Reformen angemahnt, da die kenianische Regierung in letzter Zeit verstärkt gegen die Opposition vorgegangen war. Dabei waren, wie amnesty international zum Auftakt der Geberkonferenz beklagt, kurzzeitige Verhaftungen, Einschüchterungsversuche, die Beschlagnahmung von Oppositionszeitungen bis hin zur Zerstörung der Druckerpressen an der Tagesordnung. Insbesondere Frauen, die sich aktiv in Menschenrechtsorganisationen engagiert hatten, waren Ziel der Repression durch kenianisches Militär. Stefan Mair, Afrikaspezialist der Stiftung Wissenschaft und Politik, einem Forschungsinstitut für internationale Politik bei München, charakterisiert die derzeitige Situation in einem Gespräch mit der taz als „eine Politik der permanenten Daumenschrauben“.

Neben den Attacken gegen die Opposition macht seit Mitte 1991 die Gewalt zwischen den Ethnien der Kalenjin und Maasai, die Moi nahestehen, sowie den Luhya und den Kikuyu, die der Opposition zuzurechnen sind, von sich reden. Dieser Konflikt im Rift Valley im Westen Kenias ist dieses Jahr verstärkt aufgeflammt. Dabei belegen Studien, daß die Gewalt von seiten der Regierung angezettelt wird.

Die aggressiven Töne Mois sind ein Zeichen dafür, daß er innenpolitisch unter Druck geraten ist: Die demokratischen Wahlen im Dezember 1992 konnte Moi gewinnen, weil sich die Opposition zerstritten hatte. Vor einem Monat könnte sich Blatt gewendet haben. Im Juni gründete Richard Leakey, ein bekannter Tierschützer, dem die „Wiedervereinigung“ der Opposition zugetraut wird, die Safina (Arche Noah) als Sammelbecken für die Oppositionsparteien.

Abhängig vom Westen

Bisher hat die Regierung aber den Termin für die Zulassung der Partei ohne Kommentar verstreichen lassen. Moi hatte Leakey, einen weißen Kenianer in der dritten Generation, als „Ausländer“ bezeichnet, der den Kolonialismus wiedereinführen wolle.

Möglicherweise versucht Moi jetzt einen zunehmend antidemokratischen Kurs einzuschlagen. Ob er das durchhalten kann, ist fraglich: Die starke Abhängigkeit Kenias von westlicher Entwicklungshilfe veranlaßte den kenianischen Präsidenten bereits einmal, seinen Widerstand gegenüber dem Mehrparteiensystem aufzugeben. 1991 war das Regime durch westliche Sanktionen in arge Bedrängnis geraten. Auch bei dem heutigen Treffen der Konsultativgruppe der Weltbank werden die Geber einen deutlichen Ton anschlagen.

Wie aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu erfahren war, geht die deutsche Delegation sehr skeptisch nach Paris. Keine neuen Mittel, heißt es dort. Und wegen mangelnder Reformen wurden zugesagte Gelder bereits Anfang des Jahres um zwei Drittel gekürzt. Die laufenden Projekthilfen in Höhe von 50 Millionen Mark, die in den Umweltschutz, den sozialen Bereich, das Kleingewerbe oder Infrastrukturmaßnahmen fließen, dürften davon erst mal nicht berührt sein. Zur Disposition steht aber das Strukturanpassungsprogramm der Weltbank, das jetzt ausgesetzt werden könnte.

Das Treffen der Konsultativgruppe war kurzfristig angesetzt worden: Die Geber hatten bislang den Eindruck, daß Moi vor länger angekündigten Gebertreffen großzügige Reformen verkündete und gleich danach die Zügel gegenüber der Opposition wieder anzog. Wenn nun das regierungsnahe Blatt Kenyan Times letzte Woche auch die Friedrich-Ebert-Stiftung als regierungsfeindlich diffamiert hat, scheint Moi diesmal einen Kollisionskurs gewählt zu haben. Daniel Stroux