Neuauflage eines Prozesses

■ Hans Modrow, ehemaliger SED-Bezirkssekretär, kommt erneut wegen Fälschung der 89er Wahl vor Gericht

Dresden (taz) – Erst der ungültige, dann der verhinderte, nun der kurze Prozeß. Hans Modrow, einstiger 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Dresden, wird am 2. August vor Gericht stehen, angeklagt wegen Wahlfälschung.

Die vom Bundesgerichtshof geforderte Revisionsverhandlung war im April schon einmal anberaumt worden. Damals erkrankte Modrows Verteidiger, der 72jährige Staranwalt Friedrich Wolff. Diesmal hat der vorsitzende Richter, Thomas Spiegelhalter, vorgesorgt. Modrow steht eine zweite Verteidigerin zur Seite. Von ursprünglich sechs Verhandlungsterminen bleiben vier. Das Landgericht will sich kurz fassen und die Strafhöhe neu bestimmen.

So erspart es allen Beteiligten die Tortur, sämtliche Zeugen des ersten Modrow-Prozesses erneut anzuhören. Im Mai 1993 war die 3. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Rainer Lips nach vier Verhandlungswochen zu der Auffassung gelangt, daß sich Modrow bei den DDR-Kommunalwahlen 1989 in vier Fällen der Wahlfälschung schuldig gemacht hat. Dieser Befund ist unstrittig. Zurückgewiesen haben die Karlsruher Bundesrichter aber die milde Strafe. Modrow und die drei Mitangeklagten waren „verwarnt“ worden, zudem mußten sie einige gemeinnützige Vereinskassen auffüllen.

Das Dresdner Landgericht habe „die Bedeutung von Wahlfälschungen in der ehemaligen DDR verkannt“, kritisiert der BGH den faktischen Freispruch. Offenbar hat die Anklagebehörde nun auf Eile gedrängt. Als der Prozeß nach Wolffs pünktlicher Erkrankung platzte, war von einer Verlegung auf Oktober die Rede.

Dieser Termin, im Jahr fünf der deutschen Einheit, lieferte gleich Anlaß zu Spekulationen über ein Amnestiegesetz, so bei PDS-Chef Lothar Bisky, der wegen Modrow in die sächsische Landeshauptstadt gekommen war und von einer „klugen Entscheidung“ sprach.

Mit dem PDS-Ehrenvorsitzenden müssen sich ab 2. August auch seine früheren Genossen erneut auf der Anklagebank einfinden: sein Stellvertreter, ZK-Mitglied Lothar Stammnitz, der Vorsitzende des Rates des Bezirkes Dresden, Günter Witteck, und Siegfried Neubert, Sekretär der SED-Bezirksleitung. Nicht mehr 22, sondern nur noch zehn Zeugen sind geladen, unter ihnen Ex-Politbüromitglied Horst Dohlus, seinerzeit in der SED-Führung zuständig für „Kaderfragen“, und der 1992 wegen Beihilfe zur Wahlfälschung zu einer Bewährungsstrafe verurteilte Wolfgang Berghofer, der Ex-Oberbürgermeister von Dresden.

Was die Zeugen dem Gericht erzählen werden, ist absehbar. Allein auf die Bestrafung kommt es diesmal an. Detlef Krell