Politentgleisung auf schwäbisch

Koalitionskrach in der schwarz-roten Landesregierung von Baden-Württemberg. Weil CDU-Chef Teufel den Ozonpakt mit der Bundesregierung schmiedete, tobt die SPD  ■ Aus Stuttgart Phillip Maußhardt

Sie liebten sich nie, aber nun kreischen sie. Die großen Koalitionäre in Baden-Württemberg haben, acht Monate vor den Landtagswahlen, Kampfstellung bezogen. Heute wollen sie zur Krisensitzung zusammenkommen. Vorab hatte Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) in einem Rundfunkinterview gesagt, seine Partei werde die Koalition mit der SPD weiterführen. Bis zum Ende der Legislaturperiode im März 1996, „aber keinen Tag länger“.

Vor zehn Tagen begannen die Szenen einer Koalition. Da hatte Teufel im Bundesrat für das Ozongesetz der Bundesregierung gestimmt, entgegen der Koalitionsabsprache, sich in strittigen Punkten der Stimme zu enthalten. Der SPD ging dieses Bundesgesetz nicht weit genug. So forderte die Landes-SPD auch eine Erklärung von Teufel, ob er weiterhin gedenke, vertragsbrüchig zu werden.

Zwei Tage nach seiner einsamen Abstimmung machte Teufel am vorvergangenen Samstag auf dem Landestag der Jungen Union (JU) in Karlsruhe Stimmung. „Weltfremd“ und „unberechenbar“ sei die SPD im Ländle und nichts anderes als eine Blutspende- Organisation für die Grünen. Das roch nicht nur nach Provokation, das sah auch so aus und schmeckte so: Entsprechend spuckte SPD- Fraktionschef Ulrich Maurer aus: Teufel sei wohl zum „wildgewordenen Parteifunktionär“ mutiert, und Wirtschaftsminister Dieter Spörl schrieb die Attacken der sommerlichen Hitze zu.

Das stimmt nicht. Teufel und die Landes-CDU sind vielmehr nervös geworden, weil jüngste Umfragen für die kommende Wahl die Christdemokraten gleichauf mit einer rot-grünen Koalition anzeigen. Die Vorstellung, nicht mehr nur nicht alleine, sondern gar nicht mehr zu regieren, ist für die allmächtige Regierungspartei unerträglich.

Beleidigte Leberwürste und wutschnaubende Sozis

Beleidigt hat die CDU 1992 den Koalitionsvertrag mit der SPD unterschrieben und das Wahlergebnis als einen Betriebsunfall betrachtet, der sich so nicht wiederholen sollte.

Trotz ständiger Nadelstiche, die sich die Koalitionäre seitdem zufügen, ist es der SPD gelungen, sich mit Wirtschaftsminister Dieter Spörl, Umweltminister Harald B. Schäfer und Innenminister Frieder Birzele gut in Szene zu setzen. Spörls Popularität ist kaum geringer als die des Ministerpräsidenten, und das dicke Lob der Industrie für ihn tut der SPD schon deshalb gut, weil es so selten ist.

Mit dem Ministerbonus wollen die Sozialdemokraten deshalb auch in den Wahlkampf ziehen. Sie können, auch wenn sie das am liebsten täten, die Koalition nicht platzen lassen. Das weiß die CDU und nutzt es weidlich aus. Bei der Wahl der Rundfunkräte im Süddeutschen Rundfunk boxte die CDU- dominierte Mehrheit ihre Kandidaten durch, um, wie es CDU- Fraktionschef Günther Oettingher formulierte, „die SPD-verseuchte ARD mal umzukrempeln“. Der SPD blieb nur das Schnauben.

Vergangene Woche probten die Sozialdemokraten dann im Landtag den lange schon erwarteten Aufstand: Bei der Abstimmung darüber, ob Abgeordnete gleichzeitig auch Bürgermeister oder Landräte sein dürfen, stimmte die SPD zusammen mit den Grünen und der FDP dagegen. Nur mit Hilfe der „Republikaner“-Stimmen konnten die Christdemokraten den Antrag abwehren. Das ist neu in Baden-Württemberg. Noch nie zuvor war es den Rechtsradikalen gelungen, Zünglein an der Waage zu sein. Die SPDler feixten: Schwarzbraun ist die Haselnuß. Doch der Nußknacker freute sich zu früh: Wenige Minuten später stimmten die Reps zusammen mit Grünen und SPD gegen die CDU – und verhalfen diesmal Rot-Grün zum Abstimmungssieg. So könnte es weitergehen bis zum 24. März 1996. Doch weil das beide Koalitionspartner nicht wollen, werden sie sich mit abklingender Hitze wieder beruhigen.